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Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Smedberg
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Dennoch weiß man, dass es sie gibt. Man kann sie fühlen, riechen!«
    Nielsen verzog das Gesicht.
    »In diesem Fall benötigen wir mehr als nur unseren Geruchssinn«, sagte er. »Olle Ivarsson zufolge gab es damals keinen Zweifel, dass alle vier verbrannt sind.«
    Bernt Larsson warf ihm einen unbestimmten Blick zu.
    »Olle Ivarsson, ja«, sagte er mit einem kleinen Lächeln. »Das überrascht mich nicht weiter. Denn er ist ja wirklich kein zweiter Einstein. In seinen Gedanken herrscht kein Gedränge. Vielleicht sollten Sie nicht alles, was er sagt, für bare Münze nehmen.«
    John Nielsen sah ihn nachdenklich an.
    »Gilt das auch für das, was er über Sie gesagt hat?«
    Bernt Larsson lehnte sich in seinem Sitz zurück und lachte herzhaft. »Es ist das Übliche, nehme ich an? Das Gerede vom großen bösen Wolf! Dass ich die zentrale Figur in einer Art Unterwelt hier oben sei! Ich kann Ihnen verraten, dass er mit seinen Ansichten so ziemlich alleine dasteht.«
    Er machte eine ausschweifende Geste und lachte erneut auf.
    »Schauen Sie sich doch einmal hier um. Finden Sie, dass so ein geeigneter Platz für das organisierte Verbrechen aussieht? Man könnte gleich Bananen züchten. Das würde sich ungefähr genauso gut auszahlen. Ich versuche nur klarzukommen. Mit allem, was so geht. Und wenn ich es auch mit einigen Regeln nicht so genau nehme, dann bin ich damit sicherlich nicht der Einzige. Es gibt noch genügend andere.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich bin ihm ein paar Mal auf die Zehen getreten, und das kann er einfach nicht vergessen. Und ich habe auch nichts dagegen, er darf sich gerne hin und wieder daran erinnern.«
    Er startete den Wagen, drehte um und fuhr zurück Richtung Ortszentrum.
    John Nielsen saß stumm in seinem Sitz und starrte hinaus auf die schneebedeckte Landschaft. Gelegentlich sah er hinüber zu Bernt Larsson, auch er war stumm und verschlossen. Er fuhr jetzt langsamer, schwenkte an den Straßenrand, um den überholenden Autos Platz zu machen. Nach einer Weile drehte er den Kopf.
    »Nielsen...«, sagte er. »Ist das Norwegisch oder Dänisch?«
    John Nielsen zuckte kurz mit den Schultern.
    »Schwedisch«, antwortete er kurz angebunden. »In meinem Fall. Ungefähr so Schwedisch wie Larsson, nehme ich an.«
    Der andere lachte.
    »So furchtbar empfindlich?«, sagte er. »Ich war nur neugierig. Nicht, dass es irgendeine Rolle spielt.«
    Nielsen breitete die Arme aus.
    »Meine Familie stammt aus Dänemark«, sagte er. »Der Großvater meiner Mutter, glaube ich, hat sich in Stockholm niedergelassen und ist dann dort geblieben. Sind Sie zufrieden?«
    Bernt Larsson nickte nachdenklich. »Der Großvater Ihrer Mutter, sagen Sie? Es ist also der Name Ihrer Mutter?«
    »Taugt das nichts?«
    »Natürlich. Daran ist nichts auszusetzen. Aber was ist mit Ihrem Vater? Sie hatten doch wohl einen, nehme ich an?«
    John Nielsen holte tief Luft. »Was ist das hier? Die Zwanzigfragenshow?«
    Bernt Larsson lachte ihn an. »Sie haben doch die meiste Zeit Fragen gestellt. Ich dachte, dass Sie vielleicht ein wenig Abwechslung vertragen könnten. Sie müssen den Mund aufmachen, wenn es Ihnen zu viel wird.«
    Nielsen sah ihn eine Weile an, und dann gab er nach.
    »Mein Vater war nicht so lange bei uns. Eigentlich gar nicht. Meine Mutter bekam mich mit siebzehn. Sie haben nie zusammengelebt. Ich habe ihn ein paar Mal getroffen, das war alles. Und es war eine Enttäuschung, das darf ich zugeben. Er war so verdammt mittelmäßig! Alles an ihm schrie förmlich nach Mittelmaß. Fand ich damals auf jeden Fall. Das war nicht böse gemeint. Ich konnte mir nur nicht vorstellen, dass er mich gezeugt haben sollte. Ich wollte jemanden haben, mit dem man angeben konnte. Oder der den Jungs, die einen schikanierten, so viel Angst einjagte, dass sie sich die Hosen voll machten. Er hätte alles sein dürfen, nur nicht so furchtbar
gewöhnlich
! Außerdem auch noch geizig. Ich habe einen Zehner von ihm bekommen, als ich ihn das letzte Mal sah. Da war ich siebzehn. ›Soll ich mir den einrahmen?‹, habe ich ihn gefragt. Ich war da schon einen Kopf größer als er. Da bekam ich den Eindruck, dass er Angst vor mir hatte. Und ich glaube, dass ich darüber ein bisschen stolz war.«
    »Lebt er nicht mehr?«
    John Nielsen verstummte. Er war zum einen über seine Redseligkeit, zum anderen über die Tatsache verblüfft, dass er nachdenken musste, um die Frage beantworten zu können.
    »Nein, er ist tot«, sagte er dann. »Vor ungefähr zehn Jahren.

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