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Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Smedberg
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im Laufe der Jahre, wenn er besoffen war. Nein, er hatte offenbar dreißig Jahre eine Todesangst vor Kaj Härlin. Obwohl es dafür logischerweise keinen Grund mehr gab.«
    Er hielt kurz inne, ehe er fortfuhr.
    »Kennet war bei den Partys im Sommerhaus der Härlins dabei. Doch er gehörte nicht wirklich zu dem inneren Zirkel. Er arbeitete ja schon und war auch ein bisschen älter als die anderen. Aber er hatte einen Führerschein. Und ein Auto. Das war gewissermaßen seine Eintrittskarte. Er hat schon damals gesoffen, allerdings nicht wenn er fuhr. Zumindest nicht so, dass es einen störte. Bis auf das eine Mal. Einmal zu viel. Er versuchte, Dede Härlin zu vergewaltigen. Oder so etwas in der Art...«
    »Dede?«, unterbrach ihn John Nielsen.
    »Desirée. Die Schwester«, antwortete Bernt Larsson. »Sie wurde so genannt.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Er dachte offenbar, dass sie das auch wollte und war zu besoffen, um den feinen Unterschied zu bemerken. Was sich als nicht besonders schlau erwies. Kaj Härlin war in der Nähe. Das schien er im Übrigen - was seine Schwester anbetraf - immer zu sein. Er setzte ein Messer an Kennets Hals und zwang ihn sich auszuziehen. Dann fragte er ihn, an welchem seiner Körperteile er denn als Erstes zu schneiden beginnen solle. Aber eines der Mädchen hatte angefangen zu schreien, und darum ließ er ihn laufen und meinte, er solle weit weglaufen, solange er das noch könne. Und dass er sich von ihnen fern halten solle. Wenn er ihm noch einmal unter die Augen komme, würde er ihn abschlachten wie ein Schwein.«
    Er holte kurz Luft.
    »Und Kennet glaubte ihm natürlich. Er verschwand im Wald. Splitternackt. Keiner wusste, wie er nach Hause gekommen ist, aber es dauerte Wochen, ehe er es wagte, seinen Wagen abzuholen. Und man kann sagen, dass er sich nach diesem Schrecken nicht wieder gefangen hat. Er war seitdem mehr oder weniger unsichtbar. Trank und machte einen großen Bogen um die anderen. Und jetzt ist er ganz unsichtbar geworden.«
    John Nielsen hatte sich in seinem Sitz so gedreht, dass er fast ganz zu Bernt Larsson gewandt war.
    »Woher wissen Sie das alles?«
    Larsson machte eine unbestimmte Geste.
    »Ich habe mich umgehört, das habe ich doch gesagt. Mich umgehört und eins und eins zusammengezählt.«
    »Demnach soll der da oben im Wald Kaj Härlin gewesen sein? Und Kennet Eriksson hat ihn wiedererkannt? Nach dreißig Jahren?«
    Bernt Larsson zuckte leicht mit den Achseln.
    »Er muss etwas gewusst haben«, sagte er schließlich leise, als würde er mit sich selbst sprechen. »Er scheint die ganze Zeit nur darauf gewartet zu haben, dass Kaj Härlin wieder auftauchen würde. Er muss von ihm gewusst haben, geahnt haben, dass er beim Brand nicht ums Leben gekommen war.«
    Nielsen sah ihn mit wachsendem Befremden an.
    »Und Sie glauben ernsthaft selbst alles das, was Sie da sagen?«, sagte er. »Ein Trinker mit Verfolgungswahn. Sowie ein Haufen von Gerüchten. Das glauben Sie?«
    Bernt Larsson sah ihn an.
    »Er hat sich doch bei Ihnen gemeldet, oder nicht?«
    Nielsen hob die Hände.
    »Ich habe mich eben geirrt. Was Falsches gehört.«
    Der andere lachte trocken.
    »Glauben Sie das selbst?«
    »Ja, außerdem war das auch Ihre Schlussfolgerung, als ich es Ihnen erzählt habe. Soweit ich mich erinnere, schien Sie das nicht sonderlich beeindruckt zu haben. Und immerhin kennen Sie diese Gerüchte offenbar schon etwas länger.«
    Bernt Larsson machte eine ungeduldige Geste und unterbrach ihn.
    »Ich musste erst einmal meine Gedanken sortieren. Und ich wollte zudem nicht wie ein Verrückter wirken. Außerdem konnte ich mir denken, wie Ivarssons Leier lauten würde. Aber ich war mir trotzdem da schon ganz sicher.«
    Er starrte mit zusammengepressten Lippen vor sich hin.
    »Ich wusste es die ganze Zeit«, sagte er plötzlich mit heiserer Stimme. »Ich habe das gefühlt, dass die krank sind! Ich konnte es daran merken, wie sie darüber schrieb...«
    Seine Hände waren ums Lenkrad gekrallt, und abwechselnd streckte und ballte er sie. John Nielsen sah ihn verwundert an. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas Besessenes. Gleichzeitig lag darin ein wilder, unterdrückter Schmerz. Larssons Augen waren schmale Striche, seine schmalen Lippen zitterten leicht. Dann holte er kurz Luft und drehte sich zu Nielsen. Ein flüchtiges Lächeln glitt wieder über sein Gesicht.
    »Sie glauben, dass ich ein verfluchter Idiot bin, was? Aber es gibt Dinge, die man nicht genau erklären kann. Oder beweisen.

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