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Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Smedberg
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merkwürdige Begegnungen. Und Gerede und Aberglaube, Gerüchte und Beschuldigungen. Persönlich gefärbte und vielleicht etwas überdrehte Erinnerungen. Nichts, was er für seinen Zweck verwenden konnte. Und nichts, was auch nur im Entferntesten Anna-Greta Sjödins Verschwinden oder die Ereignisse der letzten Zeit hätte erklären können. Es war ein Durcheinander von losen Fäden, die nirgendwohin führten. Nein, er sollte es dort draußen im Wald enden lassen. Sowohl beginnen als auch enden, mit einem Mittelteil, der so weit wie möglich ein richtiges Bild der lebenden Anna-Greta zeichnete und gleichzeitig jene persönlichen Tragödien berührte, die durch ihr Verschwinden ausgelöst worden sind. Es gab keine andere Lösung.
    Ein Schicksalsdrama, dessen Schuldiger nicht mehr gefunden werden konnte. Dennoch befiel ihn ein nagendes Unbehagen, eine Unzufriedenheit. Das Gefühl, dass er sich geirrt oder nicht genau genug hingesehen hatte. Dass ihm etwas entgangen war, was er hätte sehen müssen, wonach er noch länger suchen müsste.
    Und ihn beschlich das diffuse Gefühl, bedroht zu sein, dass etwas - er konnte nicht sagen, was es war - gegen ihn gerichtet war.
    Er schüttelte sich gereizt, zog seine Tasche hervor und begann, die Kleidungsstücke hineinzustopfen. Dabei warf er einen Blick auf die Uhr. Bald zwölf. Er hatte umgebucht auf einen früheren Flug am Nachmittag, doch es war noch genug Zeit. Der Bus, den er nehmen wollte, würde erst in zwei Stunden fahren. Ivarsson hatte er in den letzten Tagen kaum gesehen. Er ging früh aus dem Haus und kam spät zurück. Überhaupt war er sehr viel zugeknöpfter und reservierter, seit dem Gespräch mit Bernt Larsson. So als hätte er ihn damit missachtet, gar persönlich gekränkt.
    »Ja, ich werde dann noch nicht wieder zu Hause sein, aber Sie wissen ja, wo Sie den Schlüssel hinlegen sollen«, hatte er mit einem kurzen Nicken gesagt, als Nielsen ihm seinen Beschluss mitteilte, schon früher abreisen zu wollen.
    Er trat ans Fenster. Draußen war es unverändert grau, aber inzwischen mit schärferen, klareren Abstufungen. Die Wolkendecke hatte einige blaue Risse bekommen, und auf den Feldern lag eine dünne Decke aus Schnee. Die Temperatur war gesunken, bis auf minus zehn Grad mittlerweile. Windstille. Es waren keine Menschen unterwegs, aber von den Nachbarhäusern stiegen dünne Rauchsäulen auf und hingen beinahe bewegungslos in der kalten Luft. Der Duft von Kaminfeuer fand seinen Weg ins Haus.
    Er sog ihn mit einem Gefühl von Wehmut ein, überlegte, welches Zentrum im Gehirn dieser Geruch wohl aktivierte. Logischerweise dürfte er gar nichts fühlen, denn er hatte keine Erinnerungen, weder an Holzöfen noch an das Landleben. Vielleicht war seine Reaktion genetisch bedingt, eine Art kollektive Erinnerung von den Jahrtausenden am Lagerfeuer und in rauchigen Grotten...
    Das Telefon klingelte. Er ließ es ein paar Mal läuten, ehe er sich erhob, um den Hörer abzunehmen, in der Erwartung, Ivarssons Stimme zu hören. Es dauerte darum einen Moment, ehe er begriff, wer am anderen Ende war.
    »Sie rufen
hier
an?«, sagte er. »Das hätte ich nicht erwartet.«
    Er konnte hören, wie Bernt Larsson leise lachte.
    »Das ist doch wohl kaum strafbar, oder? Daraus kann einem noch nicht einmal Ivarsson einen Strick drehen. Außerdem wollte ich mit Ihnen sprechen. Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
    »Was wollen Sie denn?«
    »Nicht am Telefon. Ich komme vorbei. Da ist etwas, was Sie vielleicht interessieren könnte.«
    Nielsen überlegte kurz.
    »Ich fahre heute Nachmittag«, sagte er zögerlich. »Wann können Sie denn vorbeikommen?«
    »Jetzt, ich stehe vor der Tür!«
    Nielsen schaute aus dem Fenster und sah sich suchend um.
    »Nicht etwa der alte 245er Volvo da?«, sagte er schließlich. »Was ist geschehen? Sind schlechtere Zeiten angebrochen?«
    Bernt Larsson lachte erneut.
    »Wohl eher schlechteres Wetter. Es wird langsam Lastwagenwetter. Also, haben Sie Zeit? Es dauert nicht lange.«
    John Nielsen hatte sich in Larssons Wagen gesetzt und versuchte, Platz für seine Beine zu schaffen. Er drehte sich zu Larsson hin, streckte den Arm vor und klopfte auf seine Uhr.
    »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, das wissen Sie ja, oder?«
    Bernt Larsson machte ein ungeduldiges Gesicht.
    »Ich bin nicht taub. Und auch nicht dumm. Sie werden schon noch wegkommen.«
    Er fuhr an der Handvoll Geschäfte vorbei, die eine Art Zentrum darstellten, und erhöhte die Geschwindigkeit. Der

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