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Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Smedberg
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er seinen langen Körper auf und machte sich erneut auf den Weg zum Haus und die Treppe hinauf. Die beiden ersten Stufen meisterte er problemlos, dann aber blieb er mit seinem linken Fuß hängen und schlug mit dem Kopf gegen die Haustür. Jammernd blieb er einen Augenblick liegen, ehe er sich aufsetzte und mit dem Rücken gegen die Tür lehnte.
    »Verdammt noch mal, John Lean Nielsen«, wiederholte er. »Du hättest ein anderer Mensch werden sollen. In einer anderen Welt, einer besseren, einer besseren Welt!«
    Er konnte Tjarrko auf der anderen Seite der Tür hören. Der Hund hatte ihn schon früh bemerkt, war aber ruhig geblieben. Nun hatte er jedoch offensichtlich entschieden, dass das Maß voll war, und gab einen einzigen, auffordernden Laut von sich. Nielsen erhob sich, stocherte mit dem Schlüssel im Schloss herum und öffnete schließlich die Tür. Der Hund schnüffelte zerstreut an ihm und verschwand dann die Treppe hinunter in der Dunkelheit der Nacht. Nielsen zündete sich eine Zigarette an und folgte ihm.
    Die Übelkeit hatte nachgelassen, aber der Rausch war noch da. Wie eine elastische, in alle Richtungen dehnbare Haut. Ein Schutznetz, das ihm ein angenehmes Gefühl von Unverletzbarkeit und Wohlbehagen einflößte. Er empfand plötzlich ein beinahe sentimentales und uneingeschränktes Mitgefühl für alles und jeden. Die heruntergekommenen Hochhäuser mit ihren vielen Fenstern, die man schemenhaft hinter dem Waldstück zur Rechten sah. Die Menschen, die dort lebten. Die Autos, die auf der Straße weiter unten vorbeifuhren. Die vereinzelten Nachtgestalten im Schein der Straßenlaternen. Die rauen Eichen am Wegesrand, an denen er sich hin und wieder abstützen musste. Für einen Augenblick empfand er für all das etwas, das Liebe ähnelte. Es würde morgen alles wieder ganz anders sein, das wusste er genau. Vollkommen anders. Herbst und Winter lagen dann wieder wie ein schwarzes Loch vor ihm. Das ganze Leben, eigentlich. Das, was ihm übrig blieb davon.
    Aber gerade jetzt musste er noch nicht daran denken, konnte noch ein Weilchen in dem berauschenden Zustand verweilen, die knorrigen, dicken Eichenstämme am Wegesrand umarmen und dabei vor sich hin summen. Er beschloss, dass er jetzt mit Recht glücklich sein durfte. Nur für einen Moment. Durch die Dunkelheit hinken, betrunken und zufrieden, mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht. Zwischendurch tauchte der Hund auf, knuffte ihn mit seiner Nase und verschwand wieder wie ein Schatten, gelockt von weitaus interessanteren Düften in den Büschen neben dem Fußweg.
    Das eindringliche Klingeln des Telefons weckte ihn. Für einen Augenblick befand er sich noch in seinem Traum - es war ein eiskalter Wintermorgen, draußen stockfinster, er lauschte dem schrillen Lärm des Weckers, der das Herz in Fahrt setzte, wie ein hochgejagtes Auto im Leerlauf, wie sein alter Saab...
    Langsam wurde er sich bewusst, wo er war. Er öffnete die Augen und schaute aus dem Fenster. Es war schon helllichter Tag, der Himmel mattblau, die Äste der Bäume bogen sich im Wind. Er schaffte es, tief durchzuatmen, sich den kalten Schweiß von der Stirn zu wischen. Dann streckte er sich zum Telefon, bekam den Hörer zu fassen, zog ihn mit unter die Bettdecke und versuchte seinen Namen zu krächzen.
    »Hallo!«, sagte eine auffordernde Stimme in sein Ohr. »Ist da jemand?«
    »Ja!«, krächzte er wieder, ein bisschen lauter diesmal.
    »John Nielsen? John Lean Nielsen?«
    »Ja, verflucht noch mal! Das habe ich doch schon gesagt!«
    »Hier ist Ivarsson.«
    Er versuchte zu denken, wühlte in seinem Gedächtnis. Und merkte, wie sich der Kopfschmerz seinen Weg bahnte.
    »Olle Ivarsson! Aus Bräcke!«
    Etwas Aufgebrachtes lag jetzt in der Stimme.
    »Ja, ja!«, beeilte er sich darum zu sagen, während die pochenden Schmerzen an Stärke zunahmen. Es war schon fast unmöglich, nur zuzuhören...
    »Habe ich Sie etwa geweckt?«, unterbrach die Stimme seine Gedanken. »Es ist doch schon mitten am Tag!«
    Er versuchte, seine Schläfen zu massieren, während er antwortete. »Ist das der einzige Grund, warum Sie anrufen?«
    »Nein«, erwiderte der andere. »Darum habe ich nicht angerufen. Das müssen Sie schon selbst im Griff haben.« Er hielt kurz inne, dann fuhr er fort. »Wir haben etwas gefunden. Ja, tatsächlich gefunden... Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll...«
    John Nielsen stützte sich auf den Ellenbogen, obwohl sein Kopfschmerz ihm die Tränen in die Augen schießen ließ.
    »Ist sie es?«,

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