Verschwiegen: Thriller (German Edition)
nichts recht machen.«
»Es ist nicht einfach, Mutter zu sein«, kommentierte ich.
»Er will nicht mehr, dass ich seine Mutter bin, sagt er die ganze Zeit. Und wissen Sie, warum? Weil ich fett und nicht attraktiv genug bin. Ich bin nicht so schlank wie Kristin, ich gehe nicht zum Fitness, und meine Haare sind nicht schön. Aber da kann ich nichts machen! So bin ich eben, und ich bin deswegen immer noch seine Mutter! Wissen Sie, wie er mich nennt, wenn er wütend ist? Fette Schlampe. Können Sie sich das vorstellen? Und dabei tue ich alles für ihn, und meinen Sie, er würde einmal Danke schön sagen? Meinen Sie, er würde einmal so was sagen wie: ›Mom, ich liebe dich, vielen Dank.‹ ›Ich brauche Geld‹ ist alles, was er sagt. Und ich darauf: ›Ich hab keine Geld, Matt.‹ Und er: ›Nur ein paar Dollars.‹ Und dann erzähle ich ihm, dass ich das Geld für die Sachen brauche, die er haben will. Wie diese Celtics-Jacke zum Beispiel. Die hat einhundertfünfzig Dollar gekostet, und ich Idiotin gehe hin und kauf sie ihm, nur damit er zufrieden ist.«
Die Tür zum Schlafzimmer öffnete sich, und Matt Magrath kam heraus, barfuß und nur mit Adidas-Shorts und einem T-Shirt bekleidet. »Jetzt halt endlich deinen Mund, Ma, du machst den ja völlig verrückt.«
In dem Polizeibericht zu Leonard Patz’ Belästigung eines Minderjährigen wurde das Alter des Opfers mit vierzehn Jahren angegeben. Doch Matt wirkte ein paar Jahre älter. Er sah gut aus und hatte ein markantes Kinn; sein Benehmen war gewollt lässig und verriet einige Lebenserfahrung.
Hinter ihm erschien seine Freundin Kristin. Sie sah nicht so gut aus wie Matt: schmales Gesicht, kleiner Mund, Sommersprossen, flacher Busen. Sie trug ein T-Shirt mit einem weiten Ausschnitt, das an einer Seite herabhing und eine blasse Schulter und den Träger eines modischen BHs entblößte. Ich wusste sofort, dass Matt diese Kristin gleichgültig war. Er würde ihr das Herz brechen, wahrscheinlich schon sehr bald. Mir tat sie schon leid, noch bevor sie die Tür ganz durchschritten hatte. Sie sah aus wie vierzehn oder fünfzehn. Wie viele Männer würden sie enttäuschen, bis sie das Spiel endlich kapierte?
»Du bist also Matt Magrath.«
»Ja, warum? Und wer sind Sie?«
»Matthew, wie alt bist du? Wann bist du geboren?«
»Am 17. August 1992.«
Einen Augenblick lang verlor ich mich in Gedanken: 1992. Es klang wie gestern, aber ich war mittlerweile doch einige Jahre älter geworden. 1992 war ich schon seit acht Jahren Staatsanwalt. Und Laurie und ich versuchten, Jacob zu bekommen.
»Du bist nicht einmal fünfzehn.«
»Und?«
»Nichts.« Ich warf Kristin einen Blick zu. Sie beobachtete mich aus halb geschlossenen Lidern, wie ein verruchtes Mädchen. »Ich wollte dich was zu Leonard Patz fragen.«
»Len? Was wollen Sie wissen?«
»Nennst du ihn so? Len?«
»Manchmal. Wer sind Sie noch mal?«
»Ich bin der Vater von Jacob Barber, dem Jungen, der wegen des Mordes im Cold Spring Park angeklagt ist.«
»Ah ja.« Er nickte. »Ich dachte mir schon so was. Dass Sie Polizist oder so was wären. Sie haben diesen Blick drauf, als ob ich was Falsches getan hätte.«
»Meinst du denn, du hättest etwas Falsches getan?«
»Nein.«
»Dann musst du dir keine Gedanken machen, oder? Dann spielt es keine Rolle, ob ich Polizist bin oder nicht.«
»Und was ist mit ihr?« Er wies mit dem Kopf in Richtung des Mädchens.
»Was soll mit ihr sein?«
»Es ist doch gegen das Gesetz, wenn man mit einem Mädchen schläft, das noch zu jung ist. Wie nennt man das noch mal?«
»Unzucht mit Minderjährigen.«
»Genau. Aber es spielt keine Rolle, weil ich auch zu jung bin. Wenn zwei Kids Sex haben, und sie sind beide noch minderjährig, und sie bumsen …«
»Matt!«, rief seine Mutter entsetzt.
»In Massachusetts liegt das Schutzalter bei sechzehn. Wenn zwei Vierzehnjährige Sex miteinander haben, dann begehen sie beide Missbrauch von Unmündigen.«
»Sie meinen, sie vergewaltigen sich gegenseitig?«
»Rein technisch gesehen, ja.«
Er warf Kristin einen verschwörerischen Blick zu. »Wie alt bist du?«
»Sechzehn.«
»Mein Glückstag.«
»So voreilig wäre ich nicht, der Tag ist noch nicht vorbei.«
»Wissen Sie, was? Ich glaube, ich will nicht mit Ihnen reden, weder über Len noch über irgendwas anderes.«
»Ich bin kein Polizist, Matt. Mir ist völlig egal, wie alt deine Freundin ist oder was du im Leben so machst. Mich interessiert nur Leonard Patz.«
»Sie sind der Vater
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