Verschwörung beim Heurigen
Wieder eine der lächerlichen Parolen, mit denen die coolen Typen sich motivierten, dachte er und verließ das
Internet. Da sah er auf dem Desktop eine Datei mit demselben Namen: Surfen & Siegen. Als er sie anklickte, sprang
das C D-Laufwerk an, und er sah, dass es sich um eine Surfschule in Mörbisch mit diesem Namen handelte. Bauplan, Zahlen, Namen und Adressen,
Firmen ... Rasch nahm er die CD aus dem Laufwerk und steckte sie in die Tagliatelle-Packung im Küchenschrank. Falls Johanna das Laptop
doch noch holen würde.
Der warme Wind trieb ihn vorwärts, er hörte die Wellen, sie pladderten gegen den stumpfen Bug des Anfänger-Surfbrettes. Ein
wenig verkrampft klammerte sich Carl an den Gabelbaum, doch es klappte. Das verdammte Surfbrett bewegte sich vorwärts. Wer
hätte das gedacht. Fritz begleitete ihn und gab Anweisungen, wie er sich stellen sollte, wann er wo anzufassen hatte, wie
er die Balance halten konnte, entsetzlich, nichts machte er richtig, dabei bewegte sich das Ding, und er fiel erstaunlicherweise
nicht ins Wasser. Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als er drinlag. Aber das Wasser war flach, er kroch zurück aufs
Brett, ergriff die Strippe, nein, die Schot, und zog das Segel hoch.
Fritz beglückwünschte ihn recht pädagogisch, ein bisschen schal für Carls Empfinden. Er wollte sich für gestern mit einem
Zweigelt revanchieren, aber Fritz, heute von streitenden Kindern verschont, winkte ab. »Ich würde einen mit dir trinken, leider
muss ich nach Mörbisch, ich brauche eine bestimmte Sorte Polyester, die kriege ich nur da.«
Carl wollte es sich eigentlich nicht antun, denn er ahnte, was ihn erwartete, fragte aber dennoch: »Bei der dortigen Surfschule?«
»Woher weißt du denn das?«
»Nimmst du mich mit? Ein Ausflug, um die Gegend kennen zu lernen«, fügte Carl ausweichend hinzu.
|284| »Ich kann dir nur einen Eimer voll verkaufen«, sagte ein junger Mann, der mit Ohrring und um den Kopf gewickeltem Tuch eher
dem Piratennachwuchs glich, als cool zu wirken. »Musst aber gleich zahlen, bar.«
»Ist Hansi nicht da? Wann kommt er wieder?«
»Heute nicht. Er ist mit dem Boot los, Proviant, Dröhnung, alles dabei. Er bleibt heute auf seinem Pfahlbau, mit seiner neuen
deutschen Tussi, gut erhaltenes Gerät (Carl hatte ihren dunkelblauen Audi längst auf dem Parkplatz entdeckt). Die ist mit
ihrem Board hin.« Der Junge lachte gehässig, vielleicht träumte er davon, sich eines Tages auch als Witwentröster zu bewähren.
»Was ist los mit dir?«, fragte Fritz auf dem Rückweg, denn Carl schwieg verbissen, seit sie das Hafengebiet verlassen hatten.
Etwas zu ahnen, war eine Sache, etwas zu wissen, direkt damit konfrontiert zu werden, eine andere. Er selber soff also, wie
der Pirat noch gesagt hatte, und sie amüsierte sich! Es setzte ihm zu, es zog ihn runter, es machte ihn fassungslos. Mit ihrem
Surflehrer, wie primitiv. Groß, blond und schön, Hansi auf dem Foto an der Wand des Büros mit Siegerpokal in einem Arm, mit
dem Surfbrett im anderen. Was Interessanteres hätte es nicht sein können? Und auch noch verheiratet. Carl fühlte sich total
abgewertet. Wenn es einer ihrer Geschäftsleute gewesen wäre, einer dieser Topmanager, ein Vorstand, Unternehmenssprecher oder
Anwalt, das hätte er verstehen können, damit hatte er fast gerechnet – aber ein Surflehrer? Geschmacklos, weit unter ihrem
Niveau, er schämte sich für sie, es war ihm peinlich. Man würde sie belächeln, Männer würden das tun und gleichzeitig neidisch
sein, genauso wie Frauen, die sich diesen Lover nicht gestatteten oder leisten konnten. War das seine Frau Johanna? Kannte
er sie so wenig, oder war es die Quittung? Fritz war auch Surflehrer, und der war ein grandioser Typ, ein angenehmer, witziger
Zeitgenosse, nur mit seinen Kindern haperte es. Aber er liebte sie und seine Frau, das war die Hauptsache.
|285| »Wie kommt man von hier aus am besten nach Wien?«, fragte Carl, statt Fritz eine Antwort zu geben.
Um kurz nach sieben am nächsten Morgen bestieg Carl in Purbach den roten Triebwagen, der ihn nach Neusiedl brachte, wo er
umstieg, sodass er eine Stunde später in Wien Südbahnhof ankam. Das Fahrrad hatte er dabei. Im Zug hatte er sich die weiteren
Schritte überlegt und sich erinnert, wie Johanna früher gearbeitet hatte, vor Environment Consult. So würde er es machen,
und nicht anders.
Zuerst kaufte er einen Stadtplan, die entsprechenden
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