Verschwörung beim Heurigen
Tischtuch.
Es schien Carl, als hätte sie gerade ihn entsorgt.
»Die E U-Kommission lässt so lange abstimmen, bis ihr das Ergebnis passt – und dein Wein? Voller Spritzmittel, ohne geht es gar nicht. Alles
beruht auf Wachstum, da gibt es keine Bremse.«
»Bis zur Vernichtung?«
»Ja, Carl, bis zur Vernichtung.«
»Und du bist dabei?«
»Besser Hammer als Amboss. Da hat man vorher wenigstens was davon.«
»Es gab eine Zeit, da haben wir die Frauen für die besseren Menschen gehalten, inzwischen geht ihr genauso krumm wie die Männer.«
»Emanzipation eben. Ihr habt uns Frauen noch nie verstanden.«
»Aber dich verstehe ich bestens. Willst du dich an der Allgemeinheit rächen, weil sie dir nicht zugehört hat?«
»Die Allgemeinheit ist mir sowas von egal, mein lieber Carl. Ich halte mich an Gesetze, die von gewählten Politikern gemacht
werden.«
»Nein! Du suchst die Lücken, und deine
Partner
erweitern sie zu Breschen. Pass auf, dass du nicht an deiner Kohle erstickst. Von dir kann man nur noch lernen, wie man Leute
bescheißt.«
Lass es sein, Carl, sagte er sich. Weshalb führe ich idiotische Gespräche? Beleidigend ist es auch. Wieso stehe ich nicht
auf und gehe? Was hält mich fest? Ich habe geglaubt, Johanna sei mir egal. Aber jemandem, der einem gleichgültig ist, dem
sagt man nicht die Meinung – den bekämpft man höchstens. Doch das konnte er nicht.
Johanna lachte schrill. »Und deine Winzer? Leben von der Selbstausbeutung, Vater, Mutter und die Kinder! Und dann |329| stehen sie hinter Tischen und schenken Wein aus, immer lächeln, und acht Stunden auf dem Trecker. Ha. Aber die tun wenigstens
was, im Gegensatz zu dir. Du machst, was andere vordenken, dir vorschreiben ... und dein Anteil? Nachplappern ... nur auf Deutsch!«
»Langsam glaube ich, die haben dich bereits vor Environment Consult umgedreht. Karriere, Johanna? Die hättest du auch beim
Bund für Naturschutzoder bei den
Friends of the
Earth
machen können, da wärst du längst unter den Global Players. Aber die waren dir ja nie radikal genug. Du hast dich gedreht,
Johanna, wie der Frankfurter Taxifahrer, den du angeblich verachtet hast, Wendehälse sind keine Erfindung des Ostens. Geht
es dir um irgend so eine beschissene Handtasche oder ein Designer-Surfbrett? Du willst deinem Surflehrer eine Marina bauen?
Oder willst du Macht?«
Carls Handy klingelte, er tastete seine Taschen ab.
»Ich dachte, die Polizei hat es ... «
Carl trat vors Haus. Es war Hermine aus Frauenkirchen: ein Lobo Jammer hätte angerufen, besagter Anwalt sei früher für die
abbag tätig gewesen, und der Ehemann der Landeshauptfrau, Florian Treiber, sei über Strohmänner Teilhaber einer weit verzweigten
Holding, zu der auch die abbag gehöre.
»Dann hängt die mit drin?«, fragte Hermine, als wundere sie sich gar nicht darüber.
»Hast du was anderes erwartet?«, antwortete Carl und sah, wie Johanna das Haus verließ, Tränen in den Augen. Das hatte er
lange nicht mehr gesehen, meistens fletschte sie die Zähne.
»Hallo, Carl? Hallo! Hat das mit dem Mord an Maria zu tun?«
Er sah Johanna nach, es nahm ihn mehr mit, als er sich eingestehen wollte, und es dauerte, bis er antworten konnte: »Wenn
ich das wüsste, wäre ich ein Stück weiter. Wie kommt man am besten nach Illmitz?«
|330| Das Tor zur Kellerei von Ellen Karcher, der Süßweinspezialistin, war nur angelehnt. Carl drückte die Tür unter dem Rundbogen
auf und stand in einem weiten Garten zwischen Rosen und einigen Reihen von Weinstöcken. An jedem hingen nur eine oder zwei
Trauben. Bewässerungsschläuche führten am Kopfende der Rebzeilen entlang, und jede Rebzeile wurde von einem unterirdisch verlegten
Schlauch mit Wasser versorgt. Obstbäume standen an der hinteren Mauer, links lag ein zweistöckiger Gebäudetrakt mit Wohnhaus,
Büro- und Kellerräumen. Auch die Grundmauern dieser Kellerei waren recht alt, die neuen Teile waren aufgesetzt und erst kürzlich
renoviert oder restauriert worden. Carl wurde gebeten, auf der Terrasse unter dem Sonnenschirm zu warten.
»Wo kann ich mich umziehen?«, fragte er verschwitzt, und als die Winzerin ihn begrüßte, war er längst aus dem Waschraum zurück.
Er hatte Ellen Karcher vom ersten Treffen her in Erinnerung, als ihr und den anderen Winzerinnen noch das Entsetzen über Marias
Tod ins Gesicht geschrieben stand. Heute lächelte Ellen eher angestrengt, strich sich das schwarze Haar aus dem Gesicht
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