Verschwörung beim Heurigen
Mittlerweile hielt sie Fechter für gar nicht mehr
so einfältig.
»Die Schlussfolgerungen kann ich Ihnen nicht abnehmen. Ich habe einen Mord aufzuklären.«
»Wissen Sie denn nun endlich, wer es war?«, fragte Johanna, fast am Ende ihrer Kräfte.
»Ihr Mann meinte, den Täter gefunden zu haben. Hat er Ihnen nichts gesagt?«
»Wir sprechen kaum miteinander. Und – hat er Recht?«
»Sein Verdächtiger hat ein Alibi. Ich bin dem nachgegangen. Vermutungen helfen bei der Suche, aber ohne stichhaltige |363| Beweise stellt kein Untersuchungsrichter einen Haftbefehl aus. Wir wollen keinen Unschuldigen einsperren.«
»Carl ist unschuldig!«
»Wir haben ihn ja auch nicht eingesperrt, obwohl Sie vor einigen Tagen ganz anderer Ansicht waren«, bemerkte Fechter. »Sie
lieben ihn noch immer?«
Johanna blieb ihm die Antwort schuldig, Fechter stand auf, reckte sich und schüttelte die Hände aus. Er trat an die Kaimauer,
die letzten Schaulustigen hatten sich verzogen, es gab nichts zu sehen außer einem zurückkehrenden Polizeiboot. Fechter drehte
sich lächelnd um. »Was hat Sie zu dem Einstellungswandel bewogen? Etwa die Lebensumstände von Herrn Petkovic?«
»Sie sind verletzend, Herr Fechter«, antwortete Johanna und erhob sich ebenfalls, denn das Boot war herangekommen, ein Polizist
am Ufer nahm die Festmacherleine an. »Haben Sie in Ihrem Leben nie Fehler gemacht? Ich möchte Ihnen einen Hinweis geben. Carl
hat an einer heiklen Sache gearbeitet, hat in den letzten Tagen in Wien recherchiert, es geht um den Bau der Autobahn durchs
Leithagebirge und um die Rücksichtslosigkeit der Planer den Winzern und der Umwelt gegenüber.«
»Dass Leute sich so maßlos überschätzen«, meinte Fechter kopfschüttelnd. »Ich habe ihn gewarnt. Und wir schlagen uns die Nacht
um die Ohren und holen ihn aus der Scheiße. Hätten Sie das nicht viel besser gekonnt, nach allem, was ich von Ihnen weiß?
Ihr Mann hat Sie um Hilfe gebeten. Wieso haben Sie ihn nicht unterstützt? Sie haben ihn ins Messer laufen lassen.«
»Er mich auch«, sagte Johanna und fühlte sich kläglich.
»Rache? Sie haben auch Ihr Vergnügen gehabt. Wo sind seine Unterlagen jetzt?«
»Im Apartment.«
»Dann lassen Sie uns sofort hinfahren«, sagte Fechter und folgte Johanna zu ihrem Wagen.
|364| Die Tür war aufgebrochen, die Räume waren durchsucht worden, weder von den Unterlagen noch von Carls Aufzeichnungen eine Spur.
»Dann dürfen wir nicht länger von einem Unfall ausgehen«, meinte Inspektor Fechter, »es handelt sich wohl eher um ein Kapitalverbrechen,
so leid es mir tut.« Er rief die Abteilung für Eigentumsdelikte an. »Und schickt den Notarzt mit«, fügte er mit Blick auf
Johanna hinzu, die im Türrahmen zusammengesunken war.
Gegen elf Uhr des nächsten Tages erhielt Johanna den Anruf, dass man Carl gefunden hatte. Der Direktor des Nationalparks habe
bei seiner morgendlichen Inspektionsfahrt die Wasserbüffel beobachtet, wie Fechter erklärte, dabei sei ihm das ungewöhnliche
Verhalten der Tiere aufgefallen. Daraufhin hatte er die Polizei verständigt, und die wiederum hatte die Hubschrauberbesatzung
an der besagten Stelle suchen lassen. Unglaublich, dass ein Mensch so weit ins Schilf hatte vordringen können wie Carl, meinte
der Inspektor. Mit einem Boot hatte man ihn nicht erreichen können, » ... deshalb hat sich ein Besatzungsmitglied des Hubschraubers zu ihm abgeseilt und ihn mit der Rettungsschlinge nach oben
gezogen. Er ist jetzt im Hospital in Eisenstadt.«
Johanna und Inspektor Fechter, beide gleichermaßen übernächtigt, waren als Erste bei Carl eingetroffen. Man hatte ihn aus
dem Neopren-Anzug herausschneiden müssen. Das Gesicht war von Mückenstichen und Schnitten so verschwollen wie das eines zusammengeschlagenen
Boxers, die Gelsen mussten in einem wahren Blutrausch über ihn hergefallen sein, bis er sich das Gesicht mit Schlamm beschmiert
hatte, wie er später erzählte, sodass sie sich auf Augenlider, Lippen und Hände gestürzt hatten. Das Schultergelenk war schwer
geprellt, zwei Rippen angebrochen, er hatte mehrere Blutergüsse auf dem Rücken durch die Schläge mit dem Bootshaken davongetragen,
aber die Gummihaut hatte ihn vor offenen Wunden sowie Unterkühlung bewahrt. Blieben |365| noch die vom Schilf aufgeschnittenen geschwollenen Hände. Die Füße waren dank der Schuhe unverletzt geblieben, aber die Knöchel
und Waden sahen schlimm aus, abgebrochene Halme unter
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