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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Die Augen aufgerissen, schreckgeweitet, die Arme ausgestreckt, die Hände verkrampft,
     Halt suchend, das blonde Haar, der Kopf in einer Blutlache   ... Nein, das konnte nicht sein. Carl schloss die Augen und schlug sich die Hände vors Gesicht. Er wagte kaum zu atmen, trotz
     dem ging er auf sie zu, wollte sich niederbeugen, wollte, wie er es im Film gesehen hatte, an der Halsschlagader fühlen, ob
     noch Leben in ihr war, stattdessen legte er die Fingerspitzen an den eigenen Hals und fühlte nichts. War Maria abgestürzt,
     oben von der Balustrade, oder |61| vom Zwischenboden gefallen? Er sah hinauf. Mein Gott, was stehe ich hier rum, ich muss was tun, aber was? Der Mann, der eben
     losgerannt war, holte der den Arzt? Oder war der – weggerannt?
    So allein, wie hier im Angesicht der Toten, war Carl nur in dem Moment gewesen, als er vom Tod seiner Eltern erfahren hatte.
     Vielleicht ist man sonst nur im Tod so allein, schoss es ihm durch den Kopf. Er sah Marias lebloses, entsetztes Gesicht, das
     Gesicht von vor einer Viertelstunde, dazwischen lag ein ganzes Leben, vielmehr der Tod. Carl fühlte sich, als wäre er der
     einzige Mensch auf der Welt, als gäbe es alle anderen acht Milliarden nicht. Er blickte auf, sah die Schatten, die kleinen
     Lichter der Kellerbeleuchtung, den Sicherungskasten, hörte ein Summen, ein Schimmer fiel durch die Fenster oben in der Wand,
     ein Reflex lag auf dem glänzenden Edelstahl. Sonst war es dunkel. Stand dort jemand? Ihm wurde kalt, seine Haare sträubten
     sich, die Gänsehaut erfasste den gesamten Körper. Er meinte, einen Schemen zu sehen, es war ein Schatten, nur wovon?
    Carl schauderte. So nah war er dem Tod noch nie gewesen. Grauen packte ihn, er war gelähmt, er hatte Angst. Zögernd kniete
     er nieder, streckte den Arm nach Maria aus, berührte ihr Gesicht, es war warm – es war warm? Er sprang auf: »Hilfe, Hilfe   ... «, schrie er und rannte in den Hof, »   ... Hilfe! Hilfe! Maria ist   ... ein Arzt   ... «
    Jemand eilte aus dem Barriquekeller herauf, es war der junge Kroate, der als Gehilfe beschäftigt wurde, Carl hatte ihn unten
     zwischen den Fässern hantieren sehen. Im ersten Stock des Wohnhauses öffnete sich ein Fenster, eine Frau schaute heraus, stieß
     einen Blumentopf von der Fensterbank, der im Hof krachend zerschellte und Carl zurückspringen ließ. »Einen Arzt, schnell,
     Maria   ... in der Halle   ... «
    Marias Vater kam keuchend herbeigerannt, kniete neben seiner Tochter nieder, der Kellermeister kam, hockte sich auf die andere
     Seite, sah das Blut an Marias Kopf und Mund |62| und schrak zurück, er sah den Vater an, als würde der sagen, was zu tun sei. Die Hausangestellte brachte das Telefon. »Ich
     habe gerufen, die Rettung, Jesus, Maria   ... « Die Ungarin mit der kehligen Stimme hielt den Apparat weit von sich gestreckt, als wären die Worte im Apparat stecken
     geblieben. In anderen Zeiten, erinnerte sich Carl, waren die Überbringer schlechter Nachrichten erschlagen worden.
    Weiß wie eine Wand, noch immer keuchend und mit aufgerissenen Augen nahm Bruno Sandhofer ihr das Telefon ab. Dann blickte
     er auf seine Tochter herab, fühlte nach dem Puls, ergriff ihre Hand und führte sie an die Stirn. Carl sah ihm mit schreckgeweiteten
     Augen zu.
    Kurz darauf kam der Arzt, der schräg gegenüber praktizierte, außer Atem – zehn Minuten später traf der Rettungswagen mit dem
     Notarzt ein, und nach einer Weile hörten alle das Motorengeräusch eines Hubschraubers, dessen Pilot einen Landeplatz suchte.
     Schnell waren sie, das musste man ihnen lassen, eine derartige Geschwindigkeit hätte er den gemütlichen Österreichern nicht
     zugetraut.
    Was kommt mir für abstruses Zeug in den Kopf, wunderte sich Carl und betrachtete die Tote. Wie lieb sie gewesen war, ein Mensch,
     der niemandem etwas zuleide hätte tun können. Er hatte sie ein einziges Mal gesehen, letztes Jahr in Stuttgart, und in den
     neun Monaten, die zwischen dem ersten und dem zweiten Treffen lagen, hatte er sie nicht vergessen, ein paar Telefonate, hin
     und her   ... Er hatte das Gefühl, sie schon viel länger zu kennen. War das immer so, wenn man sich verliebte? Er glaubte sich daran
     zu erinnern, wie es bei Johanna gewesen war, fünfzehn Jahre war das her. Sie hatte sich verändert, sie sah nicht nur anders
     aus, so vieles hatte Spuren hinterlassen, besonders seit sie für Environment Consult & Partners arbeitete. Sein Freund
     Bob meinte immer, Menschen würden

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