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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sich nicht verändern, sie würden nur schlimmer – böser.
    Lächerlich, was da in seinem Gehirn tobte. Vor ihm lag – |63| ja, sein Traum – und er sah auf die Uhr? Er tat es zum wiederholten Mal, seit er vorhin auf der Landstraße gewendet hatte.
     Es war kurz nach halb acht – vor einer halben Stunde hätte er Johanna abholen sollen. Hätte er sie nicht abholen müssen, wäre
     er geblieben, und Maria wäre nicht   ... Nein! So durfte man nicht denken. Wieso nicht?
    Nach einer kurzen Untersuchung waren sich die Ärzte einig: Ihr war nicht mehr zu helfen. »Der Sturz war tödlich«, erklärte
     der Notarzt, »obwohl sie nicht sehr tief gestürzt ist, von dort oben.« Er sah hinauf zur Zwischendecke. Es waren keine fünf
     Meter. Auch Carl schaute hinauf. Kalt und hart schimmerten die Tanks aus Edelstahl. Bei einem von ihnen stand die untere Klappe
     offen, durch die der Trester entfernt wurde: wie ein aufgerissener Mund, der etwas zu sagen hatte. Etwas war anders als vorhin,
     aber Carl verstand zu wenig von der Materie, um das genau beantworten zu können. Der Tank hat alles mitangesehen, dachte er,
     er hat ihren Todessturz gesehen, und er hat auch gesehen   ... jetzt erinnerte er sich an den Mann, der vorhin losgerannt war, um den Arzt zu holen. Es gab niemanden auf dem Hof, der
     ihm ähnlich sah.
    Nachbarn traten still und ängstlich näher. Mit Scheu blickten sie auf die Gestalt am Boden, die Umrisse des leblosen Körpers
     unter der Decke, und dann schaute jeder, aber auch jeder, unwillkürlich nach oben. Es war klar, dass sie abgestürzt war. Einige
     bekreuzigten sich, jemand stellte eine Kerze neben den Kopf der Leiche. Marias Vater saß totenbleich in einer Ecke auf einer
     Lesekiste, von Nachbarn umringt, der Arzt maß den Blutdruck.
    In dem Augenblick, als die beiden Polizisten eintrafen, wurde das Zinnglöckl geläutet, damit wusste ganz Breitenbrunn, dass
     der Tod wieder einen aus ihrer Gemeinschaft geholt hatte. Wen es diesmal getroffen hatte, wurde von Haus zu Haus weitergegeben.
    Der Vater bekam ein Kreislaufmittel gespritzt, als jemand, Carl wusste später nicht mehr zu sagen, wer es gewesen war, |64| die Polizisten auf ihn aufmerksam machte. Einer kam herüber, ein junger Mann, dem die blaue Uniform um den dürren Leib schlotterte.
     Die weiße Mütze, die mehr an Freizeitkapitäne erinnerte als an die von Schillers Tell verspotteten Insignien der Macht, klemmte
     unter dem Arm.
    »Grüß Gott, Herr   ... «
    Carl nannte seinen Namen, und der Polizist drückte ihm mitfühlend die Hand, als wolle er kondolieren. »Ist es richtig, dass
     Sie die Maria Sandhofer gefunden haben, hier in der Halle?«
    »Ja.«
    »Und Sie haben gleich   ...?«
    »   ... ja, ich habe gleich   ... «
    »Gut«, der Polizist seufzte verlegen, derartige Fragen waren nichts für ihn. Aber es fiel ihm noch eine ein, und er zückte
     seinen Block. »Um wie viel Uhr war das?«
    »Genau um –« Carl schaute wieder auf die Uhr, ihm war, als wären vorhin die Zeiger stehen geblieben. »Es war genau neunzehn
     Uhr fünfzehn.«
    Der Polizist schaute erstaunt auf. »Wieso wissen Sie das so genau?«
    »Weil ich auf die Uhr gesehen habe, bevor ich um die Ecke gekommen bin und – Maria – die Tote, dort liegen sah.«
    »Und was haben Sie dann gemacht?«
    »Na, um Hilfe gerufen, in den Hof bin ich gerannt   ... «
    »Gut, das ist alles. Vorerst. Recht herzlichen Dank.« Der Polizist kritzelte etwas auf den Block, notierte Carls Anschrift
     sowie seine Mobilnummer und ging weg.
    »Ach – wer hat vorhin eigentlich den Arzt gerufen?«, rief Carl hinter ihm her.
    Der Polizist zögerte und drehte sich um. »Die Haushälterin, meine ich. Ich kann ja meinen Kollegen fragen. Wieso?«
    »Nein, ich meine nicht, wer Sie angerufen hat, ich meine, wer dem Arzt Bescheid gesagt hat.«
    »Na, die Haushälterin, sage ich doch!«
    |65| »Ich glaube, Sie verstehen mich nicht   ... «
    »Ich verstehe Sie ganz gut, Herr   ... «, er schaute auf seinen Block, »Breitenbach«, sagte er gedehnt und nicht mehr ganz so freundlich.
    »   ... oder ich drücke mich falsch aus«, fügte Carl vermittelnd hinzu. »Da war vorhin jemand, als ich kam.«
    Der Polizist hob den Kopf, horchte auf, blickte Carl durchdringend an und kam langsam zurück.
    »Ja, es war ein Mann. Zuerst habe ich nur Schritte gehört, ich glaube in der Halle, dann habe ich ihn weglaufen sehen, er
     rannte da raus.« Carl zeigte auf das Tor zur »guten« Seite. »Ich dachte, er

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