Verschwörung beim Heurigen
hätte den Arzt alarmiert.«
Der Polizist stand einen Moment lang stocksteif mitten im Hof, starrte vor sich hin und ging rasch zu seinem Kollegen. Dann
sprach er mit der Haushälterin, sie schüttelte nur den Kopf, sagte aber nichts. Mit dem Kollegen an der Seite war er kurz
darauf wieder da. »Bitte erzählen Sie noch mal, was Sie mir eben gesagt haben, das von dem Mann, den Sie angeblich haben weglaufen
sehen. Kannten Sie ihn?«
Carl verneinte und wiederholte das zuvor Gesagte. Die Polizisten gingen auf Abstand, besprachen sich flüsternd, und der Dünne
kehrte zurück. »Wenn es so ist, wie Sie sagen, können wir Fremdeinwirkung nicht unbedingt ausschließen. Ist Ihnen bewusst,
dass dadurch die ganze Angelegenheit ... «, er blickte zur Toten hin, » ... dass sie in ein ganz anderes Licht gerät? Wir müssen die Kollegen von der Kriminalpolizei benachrichtigen. Und Sie werden
sich zur Verfügung halten.«
»Ich rufe Eisenstadt!«, rief der zweite Polizist und lief zum Streifenwagen.
»Spurensicherung nicht vergessen!«, rief ihm der Dünne hinterher. »Und Sie, Herr ..., Sie bleiben hier!«, befahl er energisch. Dann drängte er alle Leute aus der Halle, die sich um den leblosen Körper und
den Vater versammelt hatten. Auch die laut schluchzende Haushälterin wurde nach draußen |66| bugsiert. Es protestierte nur ein Mann, den Carl als aufgeblasen und ziemlich unsympathisch empfand. Er war vielleicht in
Marias Alter, eine gewisse Ähnlichkeit war vorhanden, aber vom Gesichtsausdruck her und der Blässe wegen hätte er besser in
eine Bankfiliale gepasst als in die Kellerei. Er trug einen blauen Blazer mit goldenen Knöpfen, viel zu aufgesetzt für Carls
Geschmack, und eine beige Hose mit Bügelfalte; das »Gewand« wäre auf einem Seglerball angebracht gewesen.
»Das ist Cousin Richard«, meinte Karola, die nach einer langen Umarmung von Marias Vater und einem fassungslosen Blick auf
die zugedeckte Leiche zu Carl trat, den sie von ihrem Treffen im Schloss wiedererkannt hatte. Wer Marias beste Freundin von
dem Unglück benachrichtigt hatte, entzog sich Carls Wissen. Jedenfalls war sie da und hatte die anderen Frauen der Sieben
vom Unglück längst in Kenntnis gesetzt. Einige waren auf dem Weg hierher.
Ihr seid nur noch sechs, dachte Carl, aber er sprach es nicht aus, es hätte zynisch oder gar kaltherzig klingen können. Sein
Traum lag da unter der grauen Plane. Oder war das mit Maria ein Hirngespinst gewesen? Weshalb liefen ihm denn jetzt die Tränen
übers Gesicht? Selbstmitleid? Verdammte Scheiße, sie war tot ...
Nachdem Karola sich einigermaßen gefangen hatte, konnte sie wieder sprechen, zumindest stockend. »Ich kann Richard genauso
wenig leiden wie sie.« Karola holte das dritte oder vierte Taschentuch aus ihrer Handtasche, der Lidstrich war völlig verschmiert.
»Er kann alles, weiß alles besser, er wollte Maria immer wegdrängen ... « Der Art nach, wie sie ihn anschaute, musste sie ihn zutiefst verabscheuen. Dann sah sie Carl an und blickte kopfschüttelnd
in die Halle. »Wie Maria da nur runterfallen konnte? Ich fasse es nicht. Sie haben sie gefunden?«
Jemand tippte Carl leicht von hinten an. »Sie sind der Deutsche, der die Tote gefunden hat?«, fragte ihn eine freundliche
Stimme.
|67| Erschrocken fuhr Carl herum und ahnte, dass man ihn soeben »getauft« hatte: »Der Deutsche, der die Tote gefunden hat.« Das
würde an ihm kleben, solange er im Burgenland blieb, ein Stigma, ein Makel – und das am zweiten Ferientag. Er war zu benommen,
um sich auszumalen, was noch alles daraus erwachsen könnte.
Sein Namensgeber war kleiner als er, wirkte unscheinbar, fast ein wenig grau, ein schmales Gesicht mit einer höckerigen Nase
und einem Mund, als wolle er jeden Moment weitersprechen, was er auch tat. »Ich bin von der Kriminalpolizei – in Eisenstadt
– die Kollegen haben uns informiert, dass möglicherweise Fremdverschulden vorliegt. Sie sagten ... ach, entschuldigen Sie, ich sollte mich vorstellen, mein Name ist Fechter, Alois, Kriminalinspektor. Und mein Kollege,
da drüben«, Carl sah einen stämmigen kurzhaarigen Mittvierziger im Gespräch mit zwei weiteren Männern, die Koffer in den Händen
hielten. Sie gehörten zur Spurensicherung, wie sich später zeigte. »Das ist mein Kollege, wir ermitteln in so einem Fall immer
zusammen.«
»In was für einem Fall?«, fragte Carl verwirrt und schaute über den Hof. Die Halle
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