Verschwörung beim Heurigen
»Als dann noch mein anderer Bruder wegging, auf
den mein Vater gesetzt hatte, als Nachfolger und Erben, kam sein Herz aus dem Rhythmus. Versteh mich bitte nicht falsch.«
Ihre Stimme wurde eindringlich. »Es ist nicht so, dass ich das hier nicht gern mache. Sonst hätten wir nicht diesen Erfolg.
Aber manchmal ist es mir zu viel, mir ist der Druck zu stark, die Belastung, die Verantwortung, die Sorgen, alle Leute zu
bezahlen, und das nimmt mir den Sinn für anderes ... «
|54| »Hast du keine Hilfe, ich meine außerhalb der Familie?«
»Doch, sicher, unseren Kellermeister, er ist mir eine große Stütze, dann biedert sich Richard ständig an, geradezu lästig
wird er, am liebsten würde er sofort das Weingut übernehmen. Der will hoch hinaus, will berühmt werden – hat aber keine Ahnung.
Wenn ich mir das vorstelle«, Maria schien ernstlich besorgt, »er ist ein so grober Mensch. Wie so jemand mit Pinot Noir umgehen
würde, sie ist die Königin der Reben. Daher kein Wunder, dass die schönsten Pinots auch aus dem Burgund kommen. Die Rebe ist
kompliziert, kapriziös, mal reift sie früh, mal spät, mal ist sie dickschalig, mal hat sie viel Tannin, ein andermal keins.
Richard? Dem fehlt jedes Gespür. Am ausgeprägtesten ist sein Ehrgeiz, aber Schluss damit, sieh her!«
Maria zeigte auf die Weine vor ihnen. »Wir machen einen Welschriesling, einen Pinot Blanc oder auch Weißburgunder, natürlich
einen Chardonnay und einen Traminer. Bei den Roten sind es sechs Rebsorten. Alle werden einzeln ausgebaut, denn zum Teil stammen
sie aus drei verschiedenen Lagen. Der Blaufränkische, ich glaube, bei euch nennt man ihn Lemberger, der liebt schwerere Böden,
die haben wir unten, in Seenähe. Zweigelt und Cabernet Sauvignon habe ich höher stehen, auf mageren Böden, sandig mit Kies
und Kalk, diese besondere Lage, oben am Waldrand, wo wir zuletzt waren, ich habe es dir vorhin auf unserer Tour gezeigt. Also
müssen wir alle einzeln ausbauen.«
Carl hatte sich über die Zerstückelung der Weingärten gewundert. Vielen Weinbauern, auch den Sandhofers, gehörten oft nicht
mehr als vier oder fünf Rebzeilen, was Maria auf die überholte Erbteilung zurückführte, bei der jeder Sohn von jedem Stück
Land seinen Teil bekommen hatte. Dem Zustand versuchte man durch Pacht und Zukauf entgegenzuwirken. Aber die Lage ganz oben,
und darauf war Maria besonders stolz, gehörte nur ihr allein.
Er blickte zum See hinunter, sah die winzigen Segel in der |55| Ferne, da irgendwo war Johanna unterwegs, womöglich mit dem Mann, der sie am Morgen im Hafen von Mörbisch geküsst hatte, und
er schaute Maria sehnsüchtig an: Weshalb habe ich dich getroffen?, fragte er sich beklommen. Ich könnte froh sein, dass ich
mich endlich wieder verliebt habe, aber ich bin es nicht. Ich hadere mit allem, mit mir, mit meiner Scheißmoral, mit der Vergangenheit,
und trotz dem nimmt der Gedanke, mich von Johanna zu trennen, Gestalt an. Es wird Chaos geben, Ärger, Streit ... wozu das alles?
» ... und für die vielen Rebsorten und die Einzellagen brauchen wir entsprechend viele Gärtanks, von denen der größte gerade
mal zehntausend Liter fasst. Du erinnerst dich? Ich habe sie dir gezeigt, in der Halle auf dem Zwischenboden, für jede Rebsorte
und jede Lage einen.«
»Das ist ja entsetzlich viel Arbeit«, murmelte er und versuchte, den Anschluss zu finden und zu begreifen, was ein Winzer
eigentlich tat.
»Das muss alles koordiniert und protokolliert werden, und dann irgendwann assemblieren wir unsere Cuvées, da wird wie wahnsinnig
probiert, in den verschiedensten Mischungsverhältnissen. Vieles weiß man, aus Erfahrung, wie Cabernet und Merlot zusammenpassen
oder beide mit Zweigelt, aber die Sicherheit kommt nur über die Nase. Und ob du es richtig gemacht hast, erfährst du erst
ein oder zwei Jahre später. Jetzt probier endlich, sonst werden wir nie fertig.«
Mir soll es recht sein, dachte Carl. So kann ich nicht nur Marias Anwesenheit länger genießen, sondern auch Johanna und ihrer
Gereiztheit aus dem Wege gehen. Was habe ich mir da eingebrockt?
Der Welschriesling mit seinem Aroma von frischem Apfel gefiel ihm gut, beim Pinot Blanc meinte er, einen Mandelton wahrzunehmen,
und Marias Chardonnay war ganz anders als der Blender, über den sich der Fremde gestern im Schloss ereifert hatte. Dieser
Chardonnay hier duftete nach reifen |56| Früchten, hatte eine feine Säure, nicht zu spitz,
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