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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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alles wie gewohnt weiter. »Ich glaube, ich bin gekommen um zu sehen, was geschieht, was geschehen könnte. Maria ist –
     war eine Frau, wie ich sie mir   ... « vorgestellt habe, wie ein Traum, hatte er sagen wollen, aber die grauen Augen des Vaters ließen es nicht zu. Es war
     einfacher, über Wein zu sprechen. »Wein ist für mich etwas Konkretes, etwas Festes, Landwirtschaft und |102| Kunst, Geschichte und Gegenwart, Arbeit und Genuss, Ackergeräte und zerbrechliche Gläser, Technik und Natur. Man ist Bauer
     und Geschäftsmann, wie Maria sagte, Chef und sein eigener Knecht.«
    »Sie sollten Bücher schreiben, statt sie zu übersetzen, so wie Sie das sagen. Ich glaube, man wird zu allem geboren, man muss
     es nur begreifen und dann akzeptieren. Ich habe mich nie dagegen gewehrt, dass Maria studierte. Ich wusste, dass sie wiederkommt.
     Aber wie es hier weitergeht, in Bezug auf unser Weingut? Zumindest bleibt es in der Familie.«
    Das klang ziemlich kleinlaut, aber Carl schien der geeignete Zeitpunkt für einen Vorstoß gekommen zu sein. »Maria hat mir
     von ihrem Cousin erzählt, er ist Ihr Neffe?«
    »Nicht direkt, er ist der Sohn vom Bruder meiner verstorbenen Frau. Weshalb fragen Sie?«
    »Es interessiert mich, wer die Arbeit hier weiterführt. In einem Monat beginnt die Lese.«
    Die Melange war kalt geworden, Bruno Sandhofer hatte nur umgerührt und nichts getrunken. »Richard ist schwierig. Er ist kein
     Winzer, er ist kein – wie soll ich sagen   ... «, Sandhofers Augen suchten nach Worten, »   ... Landmensch. Er ist ein Städter, der Geschäftsmann sein möchte. Er orientiert sich an Mode, liest die Fachpresse, er sieht,
     dass viele von uns berühmt geworden sind, der Kracher, die Braunstein, der Lang, die Schröck und der Kollwentz. So will er
     sein, der gute Richard. Nur vergisst er, wie viel Wissen, wie viel Arbeit und Hingabe da drinsteckt. Ich bin der Weinberg,
     und der Weinberg ist in mir. Der Weingarten öffnet sich mir nur, wenn ich mich ihm öffne. Dass mein Herz nicht mehr Schritt
     hält – ich habe mit dreizehn Jahren angefangen zu arbeiten, hart zu arbeiten. In den sechziger Jahren sah das Burgenland anders
     aus, da waren viele Häuser mit Schilf gedeckt, und an den Wänden hingen Maiskolben zum Trocknen. Wollen Sie die alten Fotos
     sehen? Ich lasse sie gern holen – aber Oleander hatten wir immer. Ja, und der Richard |103| ? Wenn so jemand in den Betrieb kommt und ihn überfordert, etwas aus dem Weinberg holen will, was er nicht geben kann, dann
     ist das wie bei einem schlechten Reiter, der sein Pferd ins Ziel prügelt, und nach dem Rennen bricht das arme Tier zusammen.«
     Erschöpft holte Sandhofer Luft.
    »Haben Sie mit Pferden zu tun?«
    Endlich zeigte Bruno Sandhofer mal wieder ein Lächeln, zumindest einen Anflug davon. »Ein wenig.«
    »Reiten Sie etwa?«
    »In meinem Alter? Nein. Früher, früher haben wir mit Pferden gepflügt, sie sind viel besser als jeder Traktor, der Boden bleibt
     locker. Seit damals liebe ich den Galoppsport, ich wette auf Pferde.«
    Das hätte Carl ihm nie zugetraut. »Und – haben Sie mal gewonnen? Die meisten verlieren – alles.« Der Gedanke brach sich Bahn,
     dass womöglich Schuldeneintreiber auf den Hof gekommen waren und Maria   ...
    Aber da lachte der Alte. »Glauben Sie, ich bin ein Spieler? Wenn Sie es nicht weitersagen: dreimal so viel wie ich eingesetzt
     habe, habe ich gewonnen.« Er stand langsam auf und holte ein zerfleddertes Heftchen. »Das habe ich noch nie jemandem gezeigt.«
    Die erste Eintragung datierte von 1966.   In akribischer Handschrift hatte er notiert, wann er auf welches Pferd bei welchem Rennen gesetzt hatte, den Einsatz und was
     er gewonnen und verloren hatte. Die Beträge hielten sich ziemlich in Grenzen.
    »Es ist wie beim Wein«, sagte er, »es kommt darauf an, das Maß nicht zu verlieren, sich nicht zu besaufen. Diese Angst habe
     ich bei Richard. Aber das bleibt unter uns! Das Geld war immer für Geschenke für meine Kinder, für alles, was außer der Reihe
     ging. Jetzt werde ich die Beerdigung davon bezahlen.« Seine Augen wurden feucht, Tränen liefen über die Nasenspitze, tropften
     herunter, auf der Tischplatte bildete sich ein nasser Fleck. Er wandte sich ab, verbarg das |104| Gesicht in einer Hand und suchte in den Taschen der abgetragenen Jacke nach einem Taschentuch.
    »Richard war es nicht. Ich traue ihm viel zu, in Geldsachen ist er krumm, aber das? Nein! Entweder ist sie gestürzt, oder
    

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