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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nicht jenem, den Carl am Tag
     zuvor gehört hatte.
    Fechter war ihm gefolgt. »Es soll Ermittler geben, die dieser Theorie anhängen. Ich jedenfalls nicht«, beruhigte er ihn. »Doch
     gibt es was Schöneres, als eine unhaltbare Theorie zu verfolgen? Wer zustimmt, macht sich verdächtig, wer sie ablehnt   ... «
    »Sie tun wohl bewusst das Falsche, um zu beobachten, wie kopflos andere darauf reagieren. Lust am Untergang?«
    »Ich merke, wir verstehen uns«, sagte Fechter freundlich und gab Carl seine Visitenkarte mit dem Wort Polizei in einem blauen
     Feld, darüber ein dünner roter Strich. Der Name Alois Fechter war ebenfalls in Rot gedruckt.
    »Es ist immens wichtig«, fügte er hinzu, »dass wir zusammenarbeiten. Auf Sie stützt sich unsere Annahme der Fremdeinwirkung,
     neutral ausgedrückt. Bislang gibt es jedoch keine Anzeichen dafür. Die Autopsie ist allerdings nicht abgeschlossen. Wir halten
     es für möglich, dass Sie selbst Maria Sandhofer von dort oben«, er zeigte auf die Stelle der Empore, wo ein Mitglied der Spurensicherung
     den Gärtank einpuderte, »   ... nein, greifen wir den Dingen nicht vor. Entwickeln wir keine Theorie, bevor wir nicht eine einzige Frage gestellt haben.
     Ich möchte Sie am Nachmittag in Eisenstadt sehen, die Polizei-Direktion ist am Ortseingang links; für Urlauber dürfte es leicht
     sein, den Termin einzuhalten.«
    Carl hatte es registriert, doch was ihn wirklich interessierte, war der Gärtank. Da war etwas anders als gestern. Hatte die
     Klappe offen gestanden, als er mit Maria oben gewesen war? Er suchte die Stelle, wo er sie gefunden hatte. »Selbstverständlich«,
     sagte er abwesend, »um wie viel Uhr?«
    »Geht Ihnen ziemlich nahe, der Tod der jungen Frau? Wie war Ihre Be   ... nein, ich bin natürlich neugierig, lassen wir |98| das besser.« Der Inspektor zog Carl am Arm in den Schatten der Halle.
    »Da wir gerade hier sind, sozusagen beim Lokaltermin   – Sie haben gestern was von Schritten gesagt. Können wir das mal exerzieren, das heißt Sie sagen mir, was Sie gehört haben,
     und wir versuchen herauszufinden, wo jemand gelaufen ist, vielleicht wissen wir dann, von wo er kam und wohin er ging? Wieso
     eigentlich sprechen Sie von
er?
Kann es keine Frau gewesen sein?«
    »Männer gehen anders, die innere Haltung drückt sich in der Bewegung aus. Marschieren hört sich anders an als Schleichen,
     Kriechen anders als Humpeln, ein gebrochener Mensch macht andere Schritte als jemand, der ein Ziel verfolgt, und so weiter.«
    »Nicht schlecht. Und wie war der Schritt, den Sie gehört haben?«, fragte Inspektor Fechter.
    »Entschlossen, umsichtig, aber der Mann war kein Feigling, trotz dem wollte er schleunigst weg!«
    Der Inspektor runzelte ungläubig die Stirn. »Das können Sie hören? Wieso?«
    »Simultandolmetscher haben gute Ohren.«
    Der Inspektor verstand nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hatte.
    »Ich übersetze Sprachen, in diesem Fall die der Schritte. Übersetzen bedeutet nicht nur, dass man für das englische Wort das
     entsprechende auf Deutsch oder auf Österreichisch findet, sondern dass man begreift oder spürt, was dahintersteht, was damit
     gemeint ist. Ich traue mir zu, vom Englischen ins Deutsche zu übersetzen, aber nicht ins Österreichische. Ein Wort ist eine
     kollektive Erfahrung, ein Bild, eine gemeinschaftliche Erinnerung, eine spezifische Art zu denken   ... ein
Ausländer
ist einer, der nicht besonders beliebt ist, der hier nicht hergehört, ich zum Beispiel. Ein
Fremder
hingegen kennt sich nicht aus und braucht Hilfe, um den Bahnhof zu finden, das meine ich. Ein schwedischer Tourist |99| in Deutschland wird nicht Ausländer genannt, er ist
Tourist,
er verschwindet bald wieder   ... und wenn Sie viel und genau zuhören müssen und – immer bei demselben Politikerquatsch – immer wieder anders zusammengesetzte
     Sätze übersetzen, versuchen Sie, um sich nicht zu langweilen, zu hören, wer tatsächlich hinter den Worten steht, was der Mann
     oder die Frau wirklich wollen, womit sie rascheln, ob sie zwei Kinder haben oder eine Geliebte in Brüssel oder beides. Die
     Winzer schließen vom Geschmack des Rieslings auf den Boden, auf dem er gewachsen ist. Ob Muschelkalk oder Schiefer, es gibt
     Blau- oder Rotschiefer und Lehm   ... «
    »   ... Erstaunlich, worüber man nachdenken kann«, unterbrach ihn der Inspektor. »Jetzt probieren wir das mal«, und er rief seinen
     Kollegen herbei, der sich kurz als Inspektor Pfeiffer

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