Verschwörung beim Heurigen
vorstellte. Er stieg über die schmale Treppe auf die Empore, wartete
auf das Zeichen seines Kollegen und kam dann herunter.
»Der Mann, dessen Schritte ich gehört habe, hatte einen leichteren Körperbau, war etwas jünger vielleicht, außerdem trug er
andere Schuhe.«
»Das hören Sie?«
»Soll ich es Ihnen vormachen?«
»Nein, schon gut.«
»Der Mann ging schneller, und er ging leise. Kann Ihr Kollege mal da an der Wand entlanglaufen? Da hallt es.«
Der Kriminalbeamte folgte widerwillig, während Carl Feuer und Flamme war und ihn so lange herumschickte, bis die Schritte
denen ähnelten, die er gehört hatte. Es war die akustische Rekonstruktion des Weges, den der Mörder nach der Tat genommen
hatte, von der Treppe durch den Hof bis zur vorderen Tür. Carl war zufrieden.
»Die Sache hat nur einen Haken«, meinte Pfeiffer und zog Fechter mit sich, sodass Carl den Einwand nicht mitbekam.
»Kann ich mein Telefon wiederbekommen?«, rief Carl ihnen nach.
|100| »Haben Sie es eilig? Wir überprüfen die Verbindungen der letzten Tage. Ihre Mappe ist auch in der Direktion, gedulden Sie
sich bis zum Nachmittag.«
Das Telefonat vom Nachmittag mit Maria würde ihnen nicht weiterhelfen. Allerdings würden alle gespeicherten Namen und Nummern
vor ihnen liegen – das machte Carl ziemlich fuchsig. Was ging es den Staat an, wen er kannte? Bei jedem Telefongespräch erfuhr
die Telefongesellschaft, mit wem er sprach, wie lange und wo er sich aufhielt. In Österreich war das sicher nicht anders als
in Deutschland, das in Funkzellen unterteilt war. Sie stellten die Verbindungen her und orteten gleichzeitig die Handys. Er
beschloss, sich eines zu kaufen, von dem sie nichts wussten.
Dass Marias Vater ihn zum Mittagessen einlud, versöhnte Carl ein wenig mit der Welt, der Appetit war das Letzte, was ihm normalerweise
verging, doch Bruno Sandhofer beim Essen zuzusehen, war mehr als traurig. Verzweifelt stocherte er im Rehgulasch herum, das
Carl hingegen zu wahren Huldigungen der Haushälterin hinriss, die mit ihnen aß – sonst wäre es im Esszimmer allzu traurig
gewesen. Den St. Laurent jedoch, einen reifen, kräftigen Rotwein aus eigenem Keller, trank Marias Vater wie Wasser. Carl bemerkte,
dass er sich heute zum ersten Mal bewusst an den Geschmack dieser Rebsorte erinnerte, ein sehr würziger Wein, in seiner Leichtigkeit
gut vom Blaufränkischen zu unterscheiden, den er gestern getrunken hatte, in der Frische wohl dem Pinot Noir näher, den Maria
ihm eingeschenkt hatte.
Gestern? Sie war noch immer gegenwärtig; er erwartete, sie eintreten zu sehen, dann sah er wieder die dunkle Halle vor sich ... Wie lebhaft mochte es früher hier zugegangen sein, als die Familie komplett gewesen war?
»Zumindest hat mein ältester Sohn seinen Urlaub auf Teneriffa abgebrochen und ist auf dem Weg hierher, zusammen mit Anneliese,
meiner Enkelin, ein kleiner Trost für |101| mich«, erklärte Marias Vater. »Sie will so lange wie möglich bleiben.«
Immerhin ein Lichtblick, dass die übrig gebliebenen Familienmitglieder zusammenhielten. Es war selten genug. Nachdem die Haushälterin
abgeräumt hatte, fragte Bruno Sandhofer, wie sie und Carl sich kennen gelernt und zueinander gestanden hatten. Es war das
erste Mal, dass Carl überhaupt mit jemandem freimütig darüber sprach. Es tat ihm gut.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe«, sagte Bruno Sandhofer nach einer langen, nachdenklichen Pause und starrte in seine
Melange, »dann sind Sie verheiratet, haben einen Beruf, den Sie gern ausüben, der mit Wein nicht das Geringste zu tun hat«,
er lehnte sich zurück und sah Carl aus grauen, gealterten Augen an. »Davon hat Maria nichts erzählt, sie hat nur gesagt, sie
hätte einen interessanten Mann kennen gelernt. Das waren wohl Sie. Haben Sie ihr das mit Ihrer Ehe verheimlicht?«
Als Carl verneinte, fragte er weiter: »Was wollten Sie dann hier? Sollte das ein ... Fluchtversuch werden? Wollen Sie weg, aus der Ehe, sich hier umsehen? Wollten Sie tatsächlich bei uns die Hände in die
Erde stecken?«
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht mehr«, sagte Carl peinlich berührt und zögerte, sein Verhältnis zu Johanna offen zu legen.
So gut kannte er sein Gegenüber nun auch nicht. Über Maria zu sprechen war etwas anderes, das verband, aber Eheprobleme vor
Fremden auszubreiten war nicht seine Art. Bekannte schimpften, kotzten sich aus, machten den anderen nieder, und anschließend
lief
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