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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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die Hauptstraße hinabrollen,
     hielt vor der Post und erfuhr, dass er hier ein Mobiltelefon bekäme, falls die Polizei sein Handy nicht herausrücken würde.
     Jedenfalls sollte er mit der Polizei kooperieren. Der Kriminalbeamte Fechter, war er nun Kriminalbeamter oder bei der Mordkommission?,
     wirkte recht |95| umgänglich. Er hatte möglicherweise genauso viel Interesse an der Aufklärung von Marias Tod wie er selbst. Andererseits empfand
     Carl dieser Behörde und ihren Vertretern gegenüber ein fundamentales Misstrauen wie allen gegenüber, die mit Waffen umherstolzierten
     und meinten, sie hätten ein Monopol darauf. War sein Misstrauen angeboren oder hatte er es sich angeeignet bei der Übersetzung
     von Texten über die brasilianische Militärdiktatur und das portugiesische Salazar-Regime?
    Das Hoftor war verschlossen. Carl läutete, und einen Moment später musste er der Gegensprechanlage lang und breit erörtern,
     wer er war und weshalb er zu Bruno Sandhofer wollte. Als er das Hoftor öffnete, erinnerte er sich an den gestrigen Nachmittag
     – und dann an den zweiten Besuch am frühen Abend. Gestern? Das hat in kürzester Zeit mein Leben auf den Kopf gestellt, dachte
     er, hat ihm eine unbekannte Richtung gegeben. Was habe ich erwartet, habe ich überhaupt etwas erwartet? Ja, Veränderungen
     schon, besonders durch Maria, aber keinen Mord. Dann schon eher die Trennung von Johanna. Dabei war er sich längst darüber
     im Klaren, dass er die Trennung vor sich herschob. Sie rückten täglich weiter auseinander. Da blieben Auseinandersetzungen
     unausweichlich. Oder hatte er sich nur etwas gewünscht, von etwas geträumt – ja wovon eigentlich? Etwa von einer Zukunft mit
     Maria? Ein Traum vom Weinberg, vom schlichten Landleben? Ja, endlich mal selbst etwas in die Hand nehmen und nicht die Arbeit
     anderer bearbeiten.
    Nein, nicht alles stand Kopf. Vieles stand möglicherweise zur Disposition, sein Beruf jedoch nicht. Aber war das für ihn als
     Deutschen nicht typisch? Wie alle definierte er sich über Arbeit und den daraus gewonnenen Nutzen. Freundschaften wurden am
     Arbeitsplatz geschlossen, wenn überhaupt. Andernorts herrschte Schweigen, lähmend, wortlos saß man im ICE nebeneinander, schweigend
     von Stuttgart bis Hamburg. Wann hatten sich die ersten Anzeichen für |96| Veränderungen bemerkbar gemacht? Große Ereignisse warfen normalerweise Schatten voraus – wie hatte er den Winter hinter sich
     gebracht? Mit dem Kopf zwischen Buchseiten   ... Konnte er eigentlich nichts anderes als träumen?
    Aus der Traum. Er blickte in den mit Plastikband abgesperrten Raum. Dort auf dem harten Beton der Halle war Maria aufgeschlagen.
     Auf der Empore bewegten sich zwischen den Gärtanks Gestalten in weißen Anzügen, einer der Männer kroch über die klappernden
     Bodenbleche, ein anderer pinselte an einem Edelstahltank herum, die Spurensicherung? Was dachten sie von ihm, die Männer dort?
     Er war der Letzte gewesen, der   ... sie schauten herunter. Dachten sie, dass der Mörder zum Tatort zurückgekehrt war? War das ein Gesetz? Sicherlich hatte
     es mit Moral zu tun, mit der Überzeugung des Täters, im Grunde genommen etwas zutiefst Verwerfliches getan zu haben. Aber
     es gab Täter ohne Moral, die würden nicht zum Tatort zurückkehren, außer um Beweise verschwinden zu lassen, oder sie wollten
     die Polizei bei ihrer Arbeit beobachten. Ob der Inspektor Ähnliches vermutete?
    »Was wollen Sie hier«, fuhr ihn jemand an.
    O nein, bitte nicht der! Marias Cousin Richard stand plötzlich vor ihm. Im Bruchteil einer Sekunde war klar, dass sie nicht
     miteinander auskommen würden. Dieser Mensch musste mit ihr heftig aneinandergerasselt sein. Sie, fein, diskret, freundlich
     bemüht, dem Wein und den Menschen zugewandt. Er, hochfahrend, fordernd, laut, die Mitmenschen als lästig empfindend, und das
     zeigte er ohne Umschweife. »Sie stören den Betrieb, sehen Sie das nicht?« Als der Inspektor erschien, wurde er zahmer. »Ist
     der auch von der Kripo?«
    »Nein!« Fechter wandte sich provokativ an Carl: »Möglicherweise ist der Täter zum Tatort zurückgekehrt!«
    »Tun Sie mir das nicht an.« Carl brachte schleunigst einige Meter zwischen sich und den Cousin. Dessen Gang ähnelte |97| bereits dem eines Großgrundbesitzers, vornübergebeugt, breitbeinig, und auf das, was dazwischen war, musste er ziemlich stolz
     sein. In seiner Selbstsicherheit würde er niemand anderen respektieren. Aber sein Schritt glich

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