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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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es war ein anderer«, sagte er mit erstickter Stimme. »Aber – warum nur? Warum?«
    Carl schluckte. Er kannte das Gefühl der Verzweiflung, der Hilflosigkeit und Ohnmacht angesichts der Gesetze menschlicher
     Existenz. Seit gestern war es wieder da, nachdem es lange Zeit im Verborgenen geblieben war. »Mit der Frage nach dem Warum
     kommt man nicht weiter, Herr Sandhofer. Das ist eine, entschuldigen Sie, kindliche Frage, genauso naiv wie die Frage nach
     dem Sinn des Lebens oder warum es uns gibt.«
    Verletzt fuhr Marias Vater auf – doch Carl kam ihm zuvor: »Ich habe das auch gefragt, Herr Sandhofer, als meine Eltern auf
     der Autobahn bei Kassel ums Leben kamen. Ich habe erst später davon erfahren, ich bin damals in den Semesterferien durch Portugal
     getrampt. Ich konnte nur noch auf den Friedhof gehen und zwei Grabhügel anstarren.«
    Bruno Sandhofer senkte den Kopf und legte Carl die Hand auf den Arm, Hilfe suchend und gleichzeitig voller Mitgefühl. Er begleitete
     ihn zu seinem Fahrrad, hob es spielerisch mit einer Hand in die Höhe und staunte darüber, wie leicht es war. »Darf ich   ...?«
    Er drehte eine Runde im Hof, unsicher zuerst, wacklig, fand rasch sein Gleichgewicht und schien Freude daran zu gewinnen.
     Die beiden Kriminalbeamten schauten befremdet herüber. »Das fühlt man gar nicht, das Rad, als wenn man durch die Luft fährt.«
    »Das ist der Sinn der Sache. Man kommt gut vorwärts.«
    »Wo wollen Sie hin?«, fragte er und stieg umständlich ab.
    »Wenn ich das wüsste«, seufzte Carl und fragte sich, wie Marias Vater das gemeint haben mochte. »Heute Nachmittag jedenfalls
     nach Mörbisch, zu Karola und den anderen   ... «
    |105| »Ach, Marias Frauen! Ja, ein schöner Kreis. Zuerst habe ich mich gefragt, was das soll; so einen Frauenclub hatten wir noch
     nicht. Aber sie sind alle gut, sehr gute Winzerinnen. Ich fand es immer schön, wenn sie sich bei uns trafen. Mich haben sie
     dann zwar rausgeworfen, aber ich habe mich gefreut, wenn sie kamen. Sie kommen doch wieder?«
    »Sicher, die Sache ist längst nicht ausgestanden.«
    »Das meine ich nicht. Wir könnten uns unterhalten, ich kann Ihnen einiges über Wein erzählen, wenn Sie wollen.«
    Auf das Angebot würde Carl gerne zurückkommen.
    »Kann man Sie erreichen«?, fragte Sandhofer.
    »Mein Telefon hat die Polizei beschlagnahmt. Sie müssten bei unseren Wirtsleuten anrufen.«
    »Warten Sie«, meinte Sandhofer und kam nach zwei Minuten mit einem Handy wieder. »Maria braucht es nicht mehr. Bei Ihnen ist
     es in guten Händen.« Er schluckte seine Tränen herunter. »Und ich gebe Ihnen noch was mit.« Langsam ging er zum Verkostungsraum
     und kam mit einem Sechserkarton Wein wieder.
    Cousin Richard rannte mit dem Quittungsblock aufgeregt hinterher. »Das muss abgerechnet werden.«
    »Das ist ein Geschenk, Richard! Nur wenn er probiert, lernt er unsere Weine kennen.«
    »Wenn wir das Wenige vom letzten Jahr auch noch verschenken, können wir zumachen.«
    »Hast du jetzt hier das Sagen, Richard? Maria ist noch nicht unter der Erde und du   ... «
    »Wenn du meine Hilfe brauchst, musst du auch meine Regeln akzeptieren   ... «
    Carl fragte sich, wie Cousin Richard wohl von hinten aussah, wenn er durch eine Tür ging. Er würde verflucht genau hinsehen,
     griff aber dann doch vermittelnd ein. »Ich weiß es zu schätzen, Herr Sandhofer, aber ohne Gepäckträger   ... «
    »Kommen Sie nächstes Mal mit dem Wagen«, sagte er leise |106| und sah seinem Neffen mit einer Mischung aus Hilflosigkeit und Missmut hinterher.
    Inspektor Fechter drehte sich halb zu Carl um, als er das Fahrrad an der Halle vorbeischob. »Haben Sie ihm was getan?« Es
     hörte sich an, als wäre die Frage freundlich gemeint.
    Leider wusste Carl nicht, wie er sie nehmen sollte. Ein Polizist war nicht freundlich, er hatte seine Arbeit zu machen. Er
     hielt Polizisten nicht für normale Menschen – wer hatte schon einen Sinn dafür, andere ständig zur Ordnung zu rufen? – aber
     es gab sicher gute und schlechte, unsympathische oder angenehme und interessante wie diesen hier. Doch innerlich wehrte sich
     alles in Carl dagegen, etwas wie Vertrauen aufzubauen. Sie hatten die Macht, ihn zum Täter zu erklären, ihn zu zerstören.
     »Siebzehn Uhr!«, rief ihm Inspektor Fechter nach.
    Carl ging noch einmal zurück, denn er hatte seinen Helm im Wohnhaus vergessen, und als er an der offen stehenden Bürotür vorbeikam,
     hörte er Wortfetzen, die ihn stutzen ließen: »

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