Verschwörung der Sieben
besten wissenschaftlichen Gehirne waren auf dieses Problem angesetzt worden. Daß die Lösung ausgerechnet in einem der kleinsten pharmazeutischen Labors entdeckt werden sollte, erschien nahezu unfaßbar.
Jardine-Marra befand sich schräg gegenüber dem Salk Institute im Industriepark Torrey Pines in La Jolla, das im Grunde ein Vorort von San Diego war. In Torrey Pines hatten sich eine ganze Reihe von Biotech-Firmen niedergelassen, die allesamt zur Spitze des technologischen Fortschritts zählten. JM war die einzige pharmazeutische Firma in dieser Gruppe, und bis zum heutigen Tag vermutlich auch die unbedeutendste.
Auf dem Weg zum Konferenzraum sah sich Karen in einem Stück Spiegelglas, das Teil eines an der Wand hängenden modernen Kunstwerks war. Über der Frage, welche Kleidung sie für den heutigen Tag auswählen sollte, hatte sie erheblich länger und intensiver gebrütet als über den ersten Sätzen ihres Vortrags. Schließlich hatte sie sich für ein konservatives graues Tweed-Kostüm entschieden. Jetzt fragte sie sich allerdings, ob es richtig gewesen war, ihr Haar lang und offen zu tragen, statt es zu einer konservativeren Frisur hochzustecken. Die langen Haare ließen sie fast zu jugendlich erscheinen, sie wirkte damit eher wie eine Assistentin, die frisch von der Uni kam, und nicht wie die Leiterin der Forschungsabteilung. Vielleicht wäre es auch keine schlechte Idee gewesen, statt der Kontaktlinsen eine Brille zu tragen. Möglicherweise würde sogar ihre athletische, muskulöse Figur negativ vermerkt werden, die sie dem konsequenten Training an den Kraftmaschinen verdankte, das sie regelmäßig absolvierte, sobald sie ihre beiden Söhne zu Bett gebracht hatte, ganz gleich, wie müde und erschöpft sie auch war.
Unsinn, dachte sie. Schließlich sprach sie heute nicht zum ersten Mal vor den Direktoren von JM – neu war nur, daß sie selbst eine Versammlung einberufen hatte.
Das aus sieben Männern bestehende Führungsgremium erhob sich, als die Leiterin für Forschung und Produktentwicklung den Raum betrat.
»Tut mir leid, daß wir Sie haben warten lassen«, begrüßte Alexander MacFarlane, der Präsident der Gesellschaft, sie und ging ihr ein paar Schritte entgegen.
MacFarlane wirkte so, als habe man ihn direkt aus diesem Sitzungszimmer, in dem er hofzuhalten pflegte, herausgemeißelt. Seine Anzüge waren grundsätzlich braun, olivfarben oder taubengrau und harmonierten so mit den vorherrschenden Tönen von Wänden, Fußboden, Möbeln und sogar dem Orientteppich, auf dem der Konferenztisch stand. Er selbst war groß und trotz seiner Jahre noch sehr schlank, und sein Gebiß war so weiß wie das eines Schuljungen. Die Einrichtung des Konferenzraums bestand größtenteils aus antiken Möbeln, deren Kratzer und Schrammen eher ein Zeichen der Erfahrung als ein Makel waren, genau wie die Falten in MacFarlanes Gesicht. Der große Tisch war aus massivem Mahagoni gefertigt, die Sessel wirkten wuchtig und schwer.
Alexander MacFarlane hatte jedes einzelne Möbelstück persönlich ausgewählt, ganz nach seinen Vorstellungen von Gehalt und Bestand. Mit den gleichen Vorgaben ging er auch an die Einstellung von Personal heran, und unterzog jeden potentiellen Angestellten einem eigenen Vorstellungsgespräch. MacFarlane war es auch gewesen, der Karen in die Firma aufgenommen und ihr weiteres Fortkommen persönlich überwacht hatte. Eine ganze Reihe von Firmen hatte ursprünglich Interesse an ihr bekundet, aber diese Offerten waren allein auf ihre guten Examensnoten zurückzuführen gewesen. Als sich jedoch herausstellte, daß sie aufgrund gewisser Turbulenzen in ihrem Privatleben alleinerziehende Mutter zweier kleiner Kinder war, hatte ihr niemand eine hochdotierte Position angeboten, ausgenommen MacFarlane von JM. Vor acht Jahren war sie in die Firma eingetreten. Harte Arbeit und vorzeigbare Resultate hatten zu ihrem stetigen Aufstieg geführt, der vor achtzehn Monaten in der Ernennung zur Leiterin der Forschungs- und Entwicklungsabteilung gipfelte. Alex' Weigerung, trotz der Empfehlung des Aufsichtsrates andere Bewerber in Erwägung zu ziehen, sollte sich jetzt auszahlen.
Dr. Karen Raymond umklammerte die sieben gebundenen Berichte fester und krümmte ihre Finger um die Videokassette.
»Vielen Dank, daß Sie trotz der kurzfristigen Benachrichtigung hier erschienen sind, meine Herren«, erklärte sie zur Begrüßung. »Leider ließ es sich nicht anders einrichten, doch ich bin sicher, in ein paar Minuten
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