Verschwörung in Florenz
müssen.
Um sich von seinen unerfreulichen Tischnachbarn abzulenken, ließ Cosimo seinen Blick über die Tafel schweifen. Es waren alles Gesichter, die man in Florenz kannte – manche gut, manche weniger gut. Da saß Sandro Botticelli, eingerahmt von zwei Damen, die wohl jung, aber nicht besonders hübsch waren und die eifrig auf den großen Meister einredeten. Vielleicht wollten sie von ihm gemalt werden. Sandros Miene zeigte deutlich, was er von den beiden Damen hielt, doch sie schienen davon keine Notiz zu nehmen.
Weshalb soll es anderen besser ergehen als mir, dachte Cosimo und empfand zum ersten Mal für den Maler Sympathie. Sein Blick glitt weiter und blieb an Giuliano und Anne haften. Zephir und Chloris, dachte er und spürte ein seltsames Brennen in der Magengegend. Wahrlich, die beiden passten zusammen. Sie waren schön, beide. Giuliano war das blühende Leben. Seine Wangen waren rosig und frisch, so als wäre er gerade eben einem klaren Gebirgsbach entstiegen, in dem er ein Bad genommen hatte. Nichts ließ darauf schließen, dass auch er erst im Morgengrauen ins Bett gefunden hatte. Er sprach mit Anne, und das Lächeln, mit dem er sie bedachte, und der Ausdruck seiner Augen sagten mehr als tausend Worte.
Ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn wir nicht noch ehe das kommende Jahr herum ist uns an diesem Ort zur Feier einer Hochzeit zusammenfinden. Giuliano führt sich auf wie ein Narr auf Freiersfüßen. Sein Begehren ist so offensichtlich, dass es mich doch sehr verwundert, dass Clarice tatenlos zusieht. Ihr werden die Absichten ihres Schwagers gar nicht gefallen. Und was mag wohl Signorina Anne darüber denken?
Cosimo betrachtete sie genauer. Sie strahlte Giuliano ebenso zärtlich an wie er sie, obwohl Cosimo den Eindruck hatte, dass sie heute ein wenig bleich aussah. Ein dunkler Schatten umgab ihre Augen, und immer wieder hielt sie sich ein Tüchlein vor die Nase, als könnte sie die Ausdünstungen der anderen Gäste um sie herum ebenso wenig ertragen wie er.
Ein Jammer, dass du dich von Giuliano hast umgarnen lassen, Anne, dachte Cosimo. Eigentlich gehören wir zusammen, du und ich. Wir wurden beide aus demselben Holz geschnitzt. Doch wer weiß, vielleicht gibt es eine Möglichkeit. Du sagtest selbst, dass ich viel Zeit habe. Mehr Zeit, als Giuliano jemals haben wird. Ich muss dir nur das Elixier zu trinken geben und darauf warten, dass Giulianos Knochen verblichen sind. Und magst du auch ruhig um ihn weinen. Du wirst dann die Königin an meiner Seite sein, durch alle Jahre, alle Jahrhunderte hindurch, und die Welt wird uns zu Füßen liegen.
Cosimo zuckte zusammen. Waren das wirklich seine eigenen Gedanken? Er glaubte nicht an Dämonen, welche die Menschen zu bösen Taten anstifteten. Und doch wäre die Vorstellung von einem Dämon, der sich lautlos und unsichtbar hinter seinen Stuhl geschlichen und ihm diese Gedanken eingeflüstert hätte, unendlich viel tröstender als die Tatsache, dass es seine eigenen Ideen waren, Wunschbilder, die aus den Tiefen seiner eigenen Seele emporgestiegen waren. Wunschbilder, die in den dunkelsten Abgründen seines Selbst hausten wie hungrige Wölfe und nur darauf warteten, entfesselt zu werden und die Macht über ihn zu erringen. Rasch wandte er den Blick von Anne ab.
Lorenzo und Clarice hatten sich ebenfalls bereits an der Tafel eingefunden. Beide sahen aus wie stets – geschmackvoll gekleidet, gut frisiert, mit einem strahlenden Lächeln auf ihren Gesichtern. Wenn einer von ihnen es als anstrengend empfand, nach einem Fest mit rund zweihundert Gästen fünfzig von ihnen noch die nächsten zwei Tage zu bewirten und zu beherbergen, so ließen sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Doch Cosimo war sicher, dass alles nur Maske war, ein elegant inszeniertes Schauspiel. Er kannte die Frau seines Vetters. In Wirklichkeit sehnte Clarice nichts näher herbei als die Abreise aller Gäste.
Die Plätze rechts und links neben Lorenzo und Clarice waren noch frei. Cosimo wollte gerade Vermutungen darüber anstellen, für wen diese Ehrenplätze wohl freigehalten werden mochten, als sich bereits die Antwort auf seine Frage näherte – in der Gestalt von Donna Lucia und Giacomo de Pazzi.
Cosimo erstarrte. Ausgerechnet die beiden. Er wollte ihnen nicht begegnen. Am Abend inmitten der anderen Gäste hatte er ihnen ausweichen können. Wenn sie drohten näher zu kommen, hatte er sich entfernt, sich hinter den Vorhängen versteckt, hinter den breiten Rücken der Kaufleute
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