Verschwörung in Florenz
besser.«
Tatsächlich ließ das Sausen in ihren Ohren nach, und ihr Herzschlag beruhigte sich etwas. Es war am Vorabend eindeutig zu spät geworden. Zu wenig Schlaf brachte ihren Kreislauf immer durcheinander. Anne beschloss, vor dem Mittagessen noch ein wenig spazieren zu gehen, wenigstens ein paar Schritte im Hof. Frische Luft würde ihren Blutdruck am besten wieder in Gang bringen. Und dann, wenn sich alles beruhigt hatte, konnte sie den anderen gegenübertreten. Denn den Gedanken an Clarices übertrieben besorgtes und doch kritisches Gesicht, den konnte Anne kaum ertragen.
Die Mittagstafel füllte fast die Länge des Festsaales aus. Mindestens fünfzig Gäste hatten Lorenzo und Clarice auch beherbergt. Cosimo hatte sich an das linke Ende des Tisches gesetzt, um ungestört zu sein – so hatte er es wenigstens gehofft. Tatsächlich jedoch war er eingekeilt zwischen einem feisten glatzköpfigen Tuchhändler zu seiner Rechten, dessen mit Warzen gespicktes rotes Gesicht ihn an ein borstiges Schwein erinnerte, und einer kaum weniger umfangreichen Dame zu seiner Linken, die ihre Jugend bereits vor etlichen Jahren hinter sich gelassen hatte, sich dessen aber offensichtlich noch nicht bewusst geworden war. Sie hatte sich in ein knapp sitzendes Kleid von abstoßendem jugendlichem Rosa gezwängt, dessen Nähte sich bedenklich über den Speckrollen an ihrem Brustkorb und Bauch spannten. Immer wieder rückte sie demonstrativ ihre beträchtliche Oberweite zurecht, sodass Cosimo ungewollten Einblick in die Tiefen ihres Ausschnitts erhielt, während ihr Ellbogen unablässig seine Rippen bearbeitete.
Unterdessen versuchte der schweinegesichtige Tuchhändler ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Der Mann redete so ausführlich über die Menge und Güte der Stoffe, die er in den letzten Tagen verkauft hatte, dass Cosimo nur mühsam ein Gähnen unterdrückte. Um sich der unvergleichlich interessanten Unterhaltung und dem Speichel, der nicht nur über das Tischtuch, sondern auch über seine Kleidung sprühte, zu entziehen, presste Cosimo schließlich sein Taschentuch vor den Mund, wandte sich ab und täuschte einen heftigen Hustenanfall vor.
Warum nur war er nicht in der Nacht nach Florenz zurückgekehrt? Weshalb nur hatte er sich dazu entschlossen, hier zu nächtigen? Nun gut, der Komfort in Lorenzos Haus ließ keine Wünsche offen – die Betten waren sehr bequem, das Feuer im Kamin wurde von unsichtbaren, lautlosen Dienern die ganze Nacht über unterhalten, und das Frühstück war wirklich ausgezeichnet. Außerdem hatte er Clarice angesehen, wie sehr sie gehofft hatte, dass er ihr Angebot, hier ebenfalls zu übernachten, ablehnen würde, und einer solchen Versuchung hatte er noch nie widerstehen können. Doch mittlerweile fragte er sich, ob dies alles die nichts sagenden Gespräche der Männer aufwiegen konnte, das hysterische, gekünstelte Lachen der Frauen, den Gestank nach Schweiß und schlechtem Atem. Die hier Anwesenden waren ohne Zweifel alle überaus wohlhabend, doch die meisten von ihnen waren in ihren Herzen immer noch Bauern und Krämer, ungebildete Menschen ohne Kultur. Die einzigen Bücher, die diese Leute je in die Hände nahmen, waren ihre Geschäftsbücher. Und auch wenn sie sich teure Duftwässer leisteten, so wussten sie ganz offensichtlich die reinigende und erfrischende Wirkung eines Bades nicht zu schätzen.
Anselmo, ich vermisse dich, dachte Cosimo, während seine beiden Tischnachbarn offensichtlich beschlossen hatten, ihn zu ignorieren. Unbefangen, als wäre der Platz zwischen ihnen leer, unterhielten sie sich über ihn hinweg. Natürlich durfte Anselmo nicht hier an der Tafel speisen. Er aß gemeinsam mit den anderen Dienern in der Gesindeküche, wo er sich gewiss sehr viel besser amüsierte und dabei mehr Klatsch und wertvolle Informationen über die illustren Herrschaften aufschnappte als sein unglücklicher Herr. Cosimo seufzte und versuchte die fleischige Hand des Tuchhändlers zu ignorieren, die sich auf seinen Oberschenkel verirrt hatte. Angewidert schob er die Hand des Mannes schließlich mit zwei Fingern zurück. Der Tuchhändler merkte es noch nicht einmal. Sollte er sich erheben und gehen? Nein, das konnte er nicht tun. Clarice zu beleidigen, hätte ihm nichts ausgemacht. Sie war eine Heuchlerin, und er mochte sie ebenso wenig wie sie ihn. Doch Lorenzo war ein anständiger Mann. Er verdiente diese Form der Missachtung gewiss nicht. Also würde er dies wohl bis zum Ende durchstehen
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