Verschwörung in Florenz
Clarice nicht. Doch weshalb erregte eine Unpässlichkeit, ein Zustand, den niemand willentlich beeinflussen konnte, dann ihren Zorn?
Cosimos Blick glitt wieder zu Giacomo, und beinahe wäre ihm die Gabel aus der Hand geglitten. Giacomo sah aus, als hätte er gerade das Geschäft seines Lebens abgeschlossen. Er grinste über das ganze Gesicht. So zufrieden, so glücklich und siegessicher hatte Cosimo den ehemaligen Freund zuletzt vor einigen Jahren gesehen – an jenem Tag, als er ihm erzählt hatte, wie er dem Dahinscheiden seines ungeliebten, tyrannischen Stiefvaters erfolgreich nachgeholfen hatte. Cosimo wurde kalt. Hatte Giacomo Annes Speisen vergiftet? Wollte er sie töten? Aber weshalb? Cosimo beobachtete Giacomo eine Weile, doch der aß und trank seelenruhig weiter, während sich die Stimmen der anderen Gäste wieder erhoben und Diener die Überreste der Schüssel und die Erbsen zusammenkehrten.
»Ein Jammer um das schöne Gemüse«, sagte die Dame neben Cosimo und schob sich einen großen Brocken gebratenes Hühnerfleisch mit den Fingern in den Mund. »Ich liebe Erbsen«, fuhr sie kauend fort, »und der Koch hat sie gewiss besonders fein gewürzt. Die Küche des edlen Lorenzo de Medici ist wirklich ausgezeichnet. Seid Ihr nicht auch meiner Meinung, es sei schade um die schönen Erbsen?« Es dauerte, bis Cosimo begriff, dass sie ausnahmsweise nicht den Tuchhändler, sondern ihn angesprochen hatte.
»Ich vermute, mein Vetter Lorenzo wird für ausreichend Ersatz sorgen. Ihr werdet noch genug Essbares in diesem Hause finden, um es Euch so lange in die Kehle zu stopfen, bis Ihr Euch von einer Mastgans nicht mehr unterscheidet. Ihr entschuldigt mich, Ihr verderbt mir den Appetit.«
Er schob seinen Stuhl zurück und erhob sich, ohne auf das vor Wut und Scham rot angelaufene Gesicht der Dame zu achten. Sollte sie doch über ihn denken, was sie wollte. Keiner ihrer Gedanken, kein Wort, mit dem sie sein unfreundliches, ohne Zweifel skandalöses Verhalten ihren Freundinnen gegenüber beim nächsten gemeinsamen Kuchenessen schildern würde, wäre in der Lage, seinen Ruf schlechter zu machen, als er ohnehin schon war. Und jetzt hatte er wahrlich andere Sorgen.
Er trat hinter Giacomo und atmete mehrmals tief ein und aus. Er war selbst erstaunt darüber, wie viel Überwindung es ihn kostete, den ehemaligen Freund zu berühren. Es war, als würde er sich davor fürchten, unter der weichen weißen Wolle des Hemdes und der dunkelblauen Weste weder Fleisch noch Knochen zu spüren, wie es bei gewöhnlichen Menschen der Fall sein würde, sondern stattdessen Schuppen und das widerwärtige Skelett eines Ungeheuers, eines Teufels, der sich lediglich der Hülle Giacomo de Pazzis bediente, um alle anderen in Florenz zu täuschen. Endlich fasste er sich ein Herz und legte Giacomo eine Hand auf die Schulter.
Giacomo wandte sich um und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Cosimo de Medici«, sagte er gedehnt, als hätte er von seiner Anwesenheit in diesem Haus bislang nichts gewusst. »Was verschafft mir die Ehre?«
»Ich muss mit dir reden«, entgegnete Cosimo. Sein Mund war so trocken, dass die Zunge am Gaumen klebte und nur widerwillig seinen Befehlen gehorchte.
»Nun«, sagte Giacomo und tupfte sich den Mund mit einem Leinentuch ab. »Wenn das so ist, weshalb besuchst du mich dann nicht in meinem Heim? Du weißt, wo ich wohne, meine Diener werden dir nicht die Tür verbieten, und vermutlich wird selbst Giovanna entzückt sein, dich zu sehen. Ich schlage vor, dass du übermorgen …«
»Nicht übermorgen. Jetzt.« Cosimo zitterte fast vor Zorn. Er musste wissen, was Giacomo plante, er musste es heraus-finden. Wenn dieser Kerl etwas vorhatte, was Anne schaden konnte, dann würde er ihm …
»Jetzt?« Giacomo sah sich um, und ein spöttisches Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. »Vermutlich ist es dir gleich, ob du gegen die Höflichkeit verstößt. Deine Rücksichtslosigkeit, dein Mangel an guten Sitten und Taktgefühl sind ja mittlerweile geradezu legendär in dieser Stadt. Doch das gilt keineswegs für mich. Ich bin Gast deines Vetters Lorenzo. Und es wäre mehr als unhöflich, seine Großzügigkeit zu vergelten, indem ich mich einfach ohne sein Einverständnis von der Tafel erhebe.«
Cosimo biss die Zähne zusammen und ballte die Faust. Er hätte Giacomo ins Gesicht schlagen mögen, ihm das Grinsen vom Mund wischen können, dieses Lächeln, das niemand durchschauen konnte. Dieser Heuchler.
»Du hast Recht,
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