Verschwörung in Florenz
jede Ritze ins Innere von Cosimos Gemach, Kälte, die nicht einmal das Kaminfeuer hatte vertreiben können, obwohl es bereits seit den frühen Nachmittagsstunden brannte. Es war eine ungemütliche Nacht, eine Nacht, die man auf weichen Kissen und unter wärmenden Decken in seinem Bett verschlafen sollte. Doch nicht für Cosimo. Für ihn war es eine arbeitsreiche Nacht. Vor ihm auf dem Schreibtisch lag das geheimnisvolle Pergament. Bereits seit Stunden brütete er darüber. Wohl war er in den vergangenen zwei Tagen und Nächten ein gutes Stück vorangekommen, und doch war es ihm immer noch nicht gelungen, das Rätsel der seltsam verschlungenen Buchstaben und der unverständlichen Sprache zu lösen.
Er war so versunken in seine Arbeit, dass er kaum bemerkte, wie stark die Kerze im Windzug flatterte, dass das Feuer im Kamin heruntergebrannt war und seine Finger allmählich steif vor Kälte wurden. Irgendwann im Laufe des Abends, nachdem sein Diener einige Scheite nachgelegt hatte, hatte er gefroren und war aufgestanden, um sich in eine Decke zu wickeln und eine Nachtmütze aufzusetzen. Doch selbst das war mittlerweile einige Stunden her. Seitdem saß er regungslos an seinem Schreibtisch und starrte mit brennenden Augen auf die seltsamen Zeichen, als könnte er sie kraft seines Willens dazu bewegen, ihm endlich ihr Geheimnis preiszugeben. Plötzlich schlug etwas gegen das Holz der Fensterläden.
Cosimo zuckte zusammen und lauschte. Er war so versunken in diese seltsame Handschrift und die Legende, die damit verbunden war, dass er im ersten Moment glaubte, das Geräusch könne nur von Drachenflügeln stammen, die gegen die Fensterläden schlugen. Oder von einem abscheulichen Dämon, der um Einlass begehrte, um sich seine Seele zu holen. Da war das Geräusch wieder. Cosimo war steif vor Schreck, und es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass er dieses Geräusch kannte und dass es ganz harmloser Natur war.
Er trat ans Fenster, öffnete es, entriegelte die Läden und musste seine Nachtmütze festhalten, damit der Wind sie in seiner ohnmächtigen Wut nicht mit sich fortriss. Er hatte Recht, unten stand im schwachen, heftig zuckenden Schein einer Laterne Giacomo. Es war keinesfalls ungewöhnlich, dass sie einander mitten in der Nacht besuchten. Und die gegen die Fensterläden geworfenen Kiesel waren das von ihnen schon vor Jahren verabredete Zeichen. Cosimo nickte dem Freund zu, verschloss das Fenster wieder sorgfältig und eilte die Treppe hinab, um die Tür zu öffnen. Ohne ein Wort zu sagen, schlichen die beiden auf Zehenspitzen durch das dunkle, stille Haus. Niemand hörte sie auf ihrem Weg zu Cosimos Gemach.
Eine Weile betrachtete Cosimo den Freund schweigend, der sofort zum Kamin getreten war, um an der schwelenden Glut seine eisigen Finger zu wärmen.
»Was für eine schaurige Nacht«, sagte Giacomo. »Man könnte meinen, der Winter kommt zurück.«
»Vielleicht«, entgegnete Cosimo. »Ich glaube es aber nicht.«
»Cosimo, ich …«
»Wo um alles in der Welt hast du gesteckt?«, brach es aus Cosimo heraus. »Seit zwei Tagen habe ich nichts von dir gehört. Und als ich dich besuchen wollte, hast du dich einfach verleugnen lassen. Warum bist du nicht …«
»Ich war in der Kirche«, erwiderte Giacomo, ohne jedoch Cosimo dabei anzusehen. »Die ganze Zeit. Ich …«
»Höre, mein Freund, mich kannst du nicht täuschen. Ich habe dich an deinem Fenster stehen sehen. Und du hast mich ebenso gesehen. Was also ist mit dir los?«
Giacomo hob den Kopf und schaute ihn mit dem Blick eines geprügelten Hundes an.
»Verzeih, Cosimo, ich konnte nicht kommen. Wirklich, ich …« Er brach ab und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, das ohnehin schon wild nach allen Seiten hin abstand.
»Mein Stiefvater ließ es nicht zu. Er ließ mich nicht mehr aus den Augen, und außerdem … Ich musste nachdenken. Über das, was diese Hexe gesagt hat. Und … und über diese Schrift.«
»Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?«
Giacomo antwortet nicht. Stattdessen deutete er zum Schreibtisch. »Ist es dir schon gelungen, sie zu entschlüsseln?«
Keine Antwort ist auch eine Antwort, dachte Cosimo mit einem Lächeln. Er kannte seinen Freund gut, und er verstand ihn auch so. Giacomo hatte sich für Cosimo, für ihr Geheimnis und gegen den Stiefvater entschieden – wenigstens im Augenblick.
»Leider immer noch nicht«, sagte er, »trotz aller Anstrengungen. Wer auch immer diesen Text verfasst hat, hat sich die Mühe gemacht,
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