Verschwörung in Florenz
widersprach Cosimo. »Wir kennen das Geheimnis nicht. Und dir jetzt die gewünschte Summe zu versprechen, hieße, die Katze im Sack zu kaufen.«
»Eben.« Giacomo nickte zustimmend. »Außerdem musst du mir noch eines erklären. Angenommen, das Geheimnis ist wirklich so wertvoll, wie du behauptest, weshalb solltest du dich dann mit hundert Dukaten zufrieden geben?«
Die Hexe schwieg einen Augenblick. »Du hast Recht, dass du diese Frage stellst«, entgegnete sie schließlich. »Und du hast ein Recht auf eine Antwort. Als ich vor Jahren dieses Geheimnis empfing, geschah es unter der Voraussetzung, dass ich einen Schwur leistete. Ich schwor den Eid, mich nicht an dem Geheimnis bereichern zu wollen, es nicht für niedere Zwecke zu gebrauchen und es auch nur in äußerster Not und Gefahr an andere weiterzugeben. Und an diesen Schwur fühle ich mich gebunden.«
»Und weshalb willst du es uns dann jetzt verraten?«, fragte Giacomo spöttisch. »Ich kann nämlich weit und breit keine Gefahr entdecken.«
Sie hob den Kopf, und Cosimo erschauerte. Der Blick dieser Frau gefiel ihm überhaupt nicht.
»Spotte nur, Giacomo de Pazzi«, sagte sie leise. »Doch ich habe die Zukunft gesehen. Ich habe gesehen, dass viele Menschen leiden werden. Dass man Frauen wie mich, Frauen, die das zweite Gesicht haben, verfolgen, foltern und töten wird. Ich will diesem Schicksal entgehen. Nicht aus Angst um mein eigenes Leben, das wäre mir gleich, denn ich fürchte den Tod nicht. Ich tue es für meine Kinder. Sie müssten ebenfalls leiden. Hundert Dukaten sind genau die Summe, die ich benötige, um diese Gegend verlassen und irgendwo in einer abgelegenen Provinz ein Stück Land oder ein Haus erwerben und ein neues, ein unauffälliges Leben beginnen zu können.«
»Und wenn wir nicht bereit sind, das Geschäft mit dir abzuschließen? Was wirst du dann tun?«
Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Ich werde weiterziehen und in einer anderen Stadt einen anderen Käufer finden.«
»Nun gut, wenn das so ist …« Giacomo räusperte sich und warf Cosimo einen Hilfe suchenden Blick zu. Damit hatte wohl keiner von ihnen gerechnet.
»Wir verstehen deine Beweggründe«, sagte Cosimo und versuchte sich vorzustellen, was sein Onkel oder sein Vater in so einem Fall getan hätten. »Doch du solltest auch versuchen, unseren Standpunkt zu verstehen. Es bleibt immer noch ein Risiko für uns, denn wir kennen dich nicht und kennen auch niemanden, der sich für deine Ehrlichkeit verbürgt. Deshalb schlage ich vor, dass wir dir fünfzig Dukaten im Voraus zahlen, du uns das Geheimnis verrätst, und wenn wir sehen, dass es das Geld wert ist, erhältst du die zweite Hälfte. Allerdings …« Er zögerte und sah Giacomo kurz an.
»Weder er noch ich haben jetzt die erforderliche Summe bei uns. Wir könnten sie jedoch bis heute Abend beschaffen. Wenn du so lange wartest, werden wir …«
Sie winkte ab. »Das ist nicht nötig. Ich teile euch das Geheimnis auch so mit. Euer Wort würde mir reichen. Gebt ihr mir das Versprechen?«
Die beiden Freunde sahen einander an und nickten sich zu, bevor sie die ihnen entgegengestreckte Hand ergriffen. Cosimo dachte dabei an die Augen der Hexe, und eine innere Stimme sagte ihm, dass dieses Weib nicht wirklich so dumm und gutgläubig war, wie es den Anschein hatte. Irgendetwas mussten sie beide übersehen haben, eine kleine, unscheinbare Klausel, die sich ganz schnell als tödliche Falle entpuppen konnte.
»Und wo ist jetzt das Geheimnis?«, fragte Giacomo, der allmählich ungeduldig wurde.
»Hier«, erwiderte Arianna, zog aus einer Falte ihres Kleides etwas heraus und reichte es Cosimo.
Verblüfft nahm er den Gegenstand und drehte ihn hin und her. Es war ein ganz gewöhnlicher, von seiner Rinde vollständig befreiter Ast, ein Knüppel, etwa eine Elle lang und so dick wie das Handgelenk eines Mannes. Nichts Ungewöhnliches war an ihm zu entdecken, keine rätselhaften eingeritzten Zeichen, nicht einmal eine ungewöhnliche Maserung, nichts. Es war einfach ein dicker trockener Ast, der gewiss gut brennen würde, wenn man ihn in den Ofen warf. Er sah die Hexe ungläubig an. Was sollte das sein? Etwa ein Zauberstab?
»Öffne ihn, dann wirst du es sehen.«
Öffnen? Cosimo warf Arianna einen überraschten Blick zu. Dann glitt er mit den Fingern vorsichtig über das Holz. Tatsächlich spürte er eine Rille, kaum breiter als ein Haar. Erst jetzt erkannte er, dass der Ast aus zwei nahtlos ineinander gefügten Teilen
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