Verschwörungsmelange
nicht weit vom Café Heller entfernt. Erst 1920 formierten sich die
Floridsdorfer Kickers im Bezirksteil Jedlersdorf. Von da an entwickelte sich
rasch eine sportliche Gegnerschaft zwischen beiden Klubs. Die Geschicke
schwankten im Laufe der Jahre. Zunächst gelang jedem Verein je einmal der
Aufstieg in die höchste Spielklasse, die freilich damals zunächst nur aus
Wiener Vereinen bestand. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte man mit den Großen
nicht mehr mithalten, und in jüngster Zeit reichte es für beide nur mehr für
die zweithöchste Amateurklasse, die Wiener Landesliga. Jeder kurzfristige
Aufstieg in die Regionalliga Ost hatte einen raschen Wiederabstieg zur Folge.
Man lief Gefahr, langsam in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Diejenigen, die etwas dagegen unternehmen wollten, waren die
Floridsdorfer Kickers. Dabei kam ihnen der Zufall zu Hilfe. Bei einem ihrer
Heimspiele fiel im Publikum ein leicht angetrunkener Herr auf, der,
offensichtlich weil bei der gegnerischen Mannschaft zwei Ghanesen kickten,
ständig aufs Spielfeld rief: »Ja, was ist denn da los? Nieder mit den Bimbos!
Schlagt die Nigger!« Man wollte ihn wegen seines rüpelhaften Verhaltens schon
zurechtweisen, da erkannte ihn jemand. Es war der in den 70er-Jahren aus
Floridsdorf nach Kanada ausgewanderte Joe Brown (ehemals Josef Braun, wegen
seiner gelegentlichen rassistischen Äußerungen auch ›der braune Sepperl‹
genannt). Er hatte dort ganz klein in einem Tischlereibetrieb angefangen und es
im Laufe der Jahre zum stolzen Besitzer der Möbelkette BBF (›Brown’s Best Furniture‹)
gebracht. Dieser Unternehmer kam, wenn auch grölend und angeheitert, den
Kickers gerade recht.
Man wies ihn also nicht zurecht, sondern zerrte ihn in die
Kantine, wo er sich nach dem Spiel weiter am Alkohol labte und man ihn
hochleben ließ. »A really nice Klub, den ihr da habt’s. So was richtig
Gemütliches, Einheimisches«, plauderte er dabei salopp in der ihm zur
Gewohnheit gewordenen Mischung aus Englisch und schlampigem Deutsch. Die so
rasch entstandenen Sympathien wurden prompt genutzt. Brown stellte sich als
Hauptsponsor der Kickers zur Verfügung und wurde bei der nächsten
Generalversammlung zum Präsidenten gewählt. Sein einfaches Motto, mit dem er
auch die schwierigsten Aufgaben anpackte, lautete: »Na, des wer ma glei hob’n«.
So wurde für die nächste Saison eine schlagkräftige Mannschaft zusammengestellt
(mit einem Senegalesen übrigens), die den Verein in die nächsthöhere
Spielklasse führen sollte. Tatsächlich war man diesem Ziel bereits sehr nahe
gekommen, obwohl Brown nur selten Zeit für einen Abstecher nach Wien fand. Er
konnte sich auf seine Spieler und Funktionäre verlassen: Eine Runde vor Schluss
der Meisterschaft führten die Floridsdorfer Kickers die Tabelle mit einem Punkt
Vorsprung auf Viktoria Landstraße an.
Jetzt galt es, weiter in die Zukunft zu schauen, nach dem zum
Greifen nahen Aufstieg in die Regionalliga Ost nicht gleich wieder abzusacken,
sondern sich im Gegenteil nach oben in Richtung der beiden österreichischen
Profiligen zu orientieren. Dazu kam es den Kickers gelegen, dass sich bei der
Floridsdorfer Eintracht eine Führungskrise anbahnte. Ihr Präsident, Alfred
Sonnleitner, war amtsmüde und hatte seinen Rücktritt angekündigt, angeblich, um
sich in Zukunft seinen beiden Kärntner Hotels zu widmen. Hinter vorgehaltener
Hand hieß es freilich, dass es einige finanzielle Ungereimtheiten gab, die ihn
zu diesem Schritt bewegten. Auch einige Sponsoren wollten abspringen. Wie auch
immer, in einem solchen Verein sah Joe Brown den idealen Fusionspartner. Er
verfügte dann über eine schier unendliche Zahl an Nachwuchsspielern und konnte
sich einige Verstärkungen für die Kampfmannschaft günstig sichern. Als ›1. FC
Floridsdorf‹ würde man auch die Politik und die Wirtschaft des gesamten
Bezirkes hinter sich haben. Und schließlich plante Brown den Bau eines Stadions
mit dazugehörigem Einkaufszentrum in den nördlichen Ausläufern Floridsdorfs, im
Industriegebiet zwischen Stammersdorf und Gerasdorf, als endgültigen Schritt
zum Großklub.
Über all diese Dinge waren von den Funktionären beider
Vereine bereits positive Gespräche geführt worden, bei denen Eintracht-Obmann
Wolfgang Ehrentraut als Drahtzieher fungiert hatte. Im Prinzip gab es nur mehr
zwei Unsicherheiten: Die Generalversammlungen der zwei Klubs mussten dem
Zusammenschluss zustimmen
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