Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
treu ergebener Mann, aus dem Verkauf von Äpfeln und Gemüse einnehme. Und auch Kredit habe er nirgends, bloß Schulden. All dies erzählte László freilich nicht in einem Atemzug, und er wusste auch gar nicht, dass er es erzählt hatte. Er ließ einmal hier, einmal dort eine Angabe fallen, die Dodó für sich mit großem Fleiß zusammenfügte. Schon damals, als dieses Bild sich ergeben hatte, bedachte sie, dass man irgendwie Abhilfe schaffen müsste, doch jetzt, da László unten auf dem Gehsteig stand und ihre Lieblingslieder spielen ließ, jetzt, da er endlich ein Zeichen setzte, dass er sich für sie interessieren könnte, nun wurde das, was Dodó bisher ungewiss geplant hatte, zu einem Entschluss.
Durch die enge Nische zwischen dem Fensterrahmen und dem Leinenvorhang hatte sie gute Sicht hinunter auf die Darbringer der Serenade unten. Onkel Ambrus, Pityu, Kadacsay und die beiden Alvinczy saßen schläfrig um den Tisch, und der Kellner, der ihnen Champagner einschenkte, gähnte immer wieder kräftig. Der Zimbalträger kauerte am Rand des Gehsteigs, er döste, den Rücken an eine Abfallkiste gelehnt. Es war schon taghell – die Stunde, da die Müdigkeit die Nachtschwärmer zu überwältigen pflegt. Die zwei Polizisten lenkten die Passanten immer noch eifrig auf die andere Straßenseite. Zum größten Teil waren es Leute aus Monostor, die zwei bis drei Paar Hühner, einen Zwiebelkranz oder anderes Wintergemüse zum morgendlichen Markt trugen; manche von ihnen blieben drüben stehen, um der Musik zuzuhören, bis sie sich dann wieder auf den Weg machten.
László indes setzte die Serenade immer noch fort. Schon zuvor hatte er Lajis Geige übernommen, und er spielte selber. Ein schöner, breiter Ton erklang, wie er mit dem Bogen über die Saiten strich. Bestimmt hatte er um sich herum alles vergessen, Zeit wie Raum, und er hörte nur das von ihm selbst hervorgebrachte Lied. Den Hut nach hinten geschoben, mit geschlossenen Augen und steif, so stand er da, und auch jetzt, da er eine neue Weise anstimmte, wandte er sich der Kapelle in dieser Haltung zu.
»Ziegel legt man auf das Dach der Kaserne …«
Dodó konnte sich an ihm nicht sattsehen. Mitten im Lied aber sprangen die Leute vom Tisch jäh auf. Onkel Ambrus brüllte etwas, die Musik brach ab, und alle, selbst die Zuhörer drüben blickten und zeigten nach oben, auf das Fenster, wo Dodó zwischen dem äußeren Fensterglas und dem Vorhang die Kerze hingestellt hatte. Das Leinen hatte Feuer gefangen. Lange Flammen glitten den Vorhang entlang, Rauch quoll bereits ins Zimmer, die Fensterscheibe aber barst und fiel klirrend auf die Straße hinunter.
Dodó sprang hinzu. Im Laufen läutete sie rasch, dann trat sie ans Fenster; mutig ergriff sie den Vorhang an beiden Enden und riss ihn herunter. Jetzt rasch zurück zur Waschnische, und her mit einem Krug Wasser!
Als ihr erschrecktes Stubenmädchen ins Zimmer rannte, war sie schon dabei, den Vorhang auf dem Fußboden zu begießen, und sie trat mit ihren kleinen Pantoffeln die hier und dort noch aufflackernden Flämmchen aus. Ein Glück, dass sie so schnell gehandelt hatte. Hätte die Flamme die zur Seite gezogene Spitzengardine ergriffen, wäre wohl ein richtiger Brand entstanden. So wurde nur der Parkettboden ein wenig versengt, das war alles. Und die dünnen Pantoffelsohlen wurden von der Glut durchlöchert. Hierin allein bestand der materielle Schaden.
Während das Stubenmädchen und zwei herbeigerufene Diener eilig das vergossene Wasser aufzunehmen suchten und den verbrannten Vorhang hinausschleppten, warf Dodó noch einen Blick auf die Straße. Nur die Polizisten standen noch da, ihnen rief sie hinunter, es sei nichts geschehen, sie dürften ruhig abziehen. Auch hernach blieb sie beim zerbrochenen Fenster stehen. Etwas machte ihr das Herz schwer, als wäre es ein böses Zeichen, dass jetzt, gerade jetzt diese Serenade, die sie so glücklich gemacht hatte, so enden musste. Doch dann schüttelte sie den eigenwilligen Kopf, als wolle sie daraus die Zweifel vertreiben.
»Narrheit!«, sagte sie zu sich selbst. »Es gibt keine bösen Zeichen! Narrheit!«
Und ruhig legte sie sich wieder zu Bett, denn sie spürte erst jetzt, welch schneidende Kälte ins Zimmer gedrungen war.
III.
Gräfin Róza Abády hatte heute Geburtstag. Sie pflegte den Tag zu begehen, und es tat ihr wohl, wenn sie in ihrem kleinen Palais in der Farkas-Straße möglichst viele Besuche bekam. Das bereitete ihr große Freude. Nur eines fiel unter
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