Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Verbot – niemand durfte erwähnen, um den wievielten Geburtstag es sich handelte. Dies tat denn auch keiner, obwohl alle wussten, dass Róza Abády am 12. April 1854 geboren war. Es gab einen einzigen Tollkühnen in dieser Welt, der sie seit einiger Zeit mit einer Postkarte stets verärgerte, indem er genau hinschrieb: »Ich gratuliere zum soundsovielten Geburtstag der gnädigen Frau Gräfin.«
Dieser Mann hieß Boldizsár Kozma, der Sohn eines einstigen Gutsaufsehers im Dienst ihres Vaters. Der alte Kozma hatte fünf Söhne gehabt. Zwei von ihnen, Dezső und Áron, waren die älteren, Géza und Jenő die jüngeren. Der mittlere, Boldizsár, stand genau in Róza Abádys Alter. Alle fünf waren Spielkameraden des kleinen Mädchens gewesen, bis sie dann von Dénestornya wegzogen, da der alte Kozma bei den Abádys den Dienst quittierte, um in der Region von Teke eine große Pacht zu übernehmen. Die Kozmas waren seither sehr vermögend geworden, sie hatten ein Stück Land nach dem anderen erworben, und im Komitat Kolozs in den Bezirken von Örményes und Teke die alteingesessenen Gutsbesitzer sozusagen ausgekauft; denn diese hatten mit den fünf fleißigen, von allen Herrenallüren freien und fachmännischen Landwirten nicht Schritt zu halten vermocht.
Frau Abády hatte seit ihrem dreizehnten Lebensjahr keinen von ihnen je wiedergesehen. Früher hatte sie gelegentlich und nachträglich erfahren, dass der eine oder andere von ihrem Gut in Dénestornya Ferkel, Zackellämmer oder Mastschweine gekauft habe. In letzter Zeit sprachen nicht mehr die Älteren vor, sondern ihre Söhne. Doch es war auch früher nie vorgekommen, dass einer ihrer einstigen Spielkameraden das Schloss betreten hätte. Sie blieben unten beim Gutsverwalter in der Meierei. Keiner der fünf hätte sie je aufgesucht, und einzig dieser eine Boldizsár schrieb ihr jedes Jahr von irgendwo in der Siebenbürger Heide eine Postkarte zum Geburtstag, aber auch er hatte damit erst neuerdings angefangen, als sie fünfzig Jahre vollendet hatte. Es stellte sich nie heraus, warum er ihr schrieb.
Und da Gräfin Róza wohl empfand, dass das Ziel darin bestand, sie zu ärgern und Rache zu üben wegen einer ihr unbekannten Beleidigung, ärgerte sie sich tatsächlich. Es war schon der dritte Geburtstag, an dem sie sich in zorniger Stimmung befand. Dabei war ihr Sohn, Bálint, am Morgen aus Budapest angekommen. Das hatte ihr große Freude bereitet, und bis zum Mittagessen war sie gut aufgelegt. Doch vor dem Mittagsmahl traf die ominöse Postkarte ein und verdarb ihre Laune. Frau Róza, sonst gutmütig und nachsichtig, ließ es vielleicht deshalb zu, dass ihre beiden Haushälterinnen, Frau Tóthy und Frau Baczó, die immer mit ihr zusammen aßen, beim schwarzen Kaffee so viel bösen Klatsch verbreiteten.
Mit ihrer ewigen Strickarbeit im Schoß, saßen sie – in engen Stühlen, die zu ihrem dicken Leib in keinem Verhältnis standen – an den beiden Ecken des langen Tisches und hörten nicht auf zu plappern, als sprächen sie nur zueinander. Sagten sie aber etwas sehr Entrüstendes, stachen sie heftig in den begonnenen Strumpf, als durchbohrten sie den Schuldigen. So dauerte es lange. Bálint hörte wortlos zu. Gegen halb vier stellte sich dann endlich die erste Gruppe von Gratulanten ein, und die zwei Haushälterinnen verschwanden. Später kamen immer mehr Leute. Der große und der kleine Salon hatten sich bereits ganz gefüllt.
Im großen Saal saß die Hausfrau auf ihrem gewohnten Platz in der Mitte des Kanapees, und rund um den Tisch vor ihr hatten sich die älteren Damen niedergelassen. Die Mütter: Frau Gyalakuthy, Frau Kamuthy, Frau Laczók und die mit allen verwandte greise Frau Sarmasághy, die kleine, zusammengeschrumpfte Tante Lizinka; sie verstand Politik und Klatsch sehr amüsant und sehr bös vorzutragen und schreckte manchmal auch vor obszönen Wörtern nicht zurück, sprach aber auch gewählt, wenn es so sein musste.
Mit großem Entsetzen handelte sie beinahe ganz dasselbe ab, worüber sich Frau Tóthy und Frau Baczó beim schwarzen Kaffee schon ausgelassen hatten. Das Hauptthema bildete Adrienne Milóth, die Frau Pali Uzdys. Wie herausfordernd sie kokettiere, mit dem und jenem anbändle, seit sie zu Faschingsbeginn in die Stadt gezogen sei.
»Oh, meine Liebe, der genügt es nicht, wie schon letztes Jahr, dass sie meinen armen Vetter, Pityu Kendy, und den großen Lümmel Ádám Alvinczy närrisch macht und andere dazu«, sagte Tante Lizinka böse mit
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