Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
ihrer perlhuhnscharfen Stimme und der alten Aussprache der Maros-Region – »nein, jetzt lässt sie sich auch noch mit einem anderen meiner Vetter ein: mit Ambrus. Ich weiß natürlich nichts, aber Ambrus allerdings ist nicht ein Mann, den man bloß mit Worten hinhalten kann, darum hat sie ihm gewiss auch anderes ins Maul gelegt, nicht nur Zuckerbrot. Schon möglich, dass sie achtgeben, aber jedem ist bekannt, dass sich ein so tüchtiger Hengst wie Ambrus mit Wiehern allein nicht zufriedengibt. Und ich weiß das, jawohl, denn meine Köchin hat mir erzählt, dass jedes Mal, wenn der arme Uzdy nicht zu Hause ist, Ambrus sich dort herumtreibt, mag er auch heimlich handeln …«
Die anderen Damen schwiegen, sie antworteten nur selten und mit spärlichen Worten. Selbst Frau Laczók, die Schwester von Adriennes Mutter, wagte nicht, Adrienne in Schutz zu nehmen, hatte sie doch zwei Töchter, mit denen sie die Anlässe der guten Gesellschaft besuchte. Sie fürchtete ihretwegen die böse Zunge der alten Lizinka. Schließlich warf Frau Gyalakuthy ein: »Wie dem auch sei, damit ist jetzt ohnehin Schluss, denn wie ich höre, hat sich Frau Milóths Zustand im Wiener Sanatorium neuerdings sehr verschlechtert, und ihre Töchter sind hingereist.«
»Ja, sie sind letzte Woche zu ihr gereist«, antwortete Frau Laczók eilig. »Die Nachrichten lauten leider sehr schlecht.«
Gräfin Abádys leicht vortretende, graue Augen streiften die Tischgesellschaft, sie wanderten von Tante Lizinka zum Gesicht ihres Sohns, der wortlos unter den alten Damen saß. Frau Rózas Blick verweilte dort einen Augenblick und glitt dann zu der liebenswert dicklichen Frau Laczók hinüber.
»Die Arme kränkelt seit längerer Zeit, nicht wahr?«
»Mit ihr geht es, wie ich meine, allerdings bald zu Ende«, fiel Tante Lizinka ein, die zu ihrem Thema zurückkehren wollte. »Und was dann mit der kleinen Margit Milóth geschieht, wenn auch ihre Mutter nicht mehr da ist, das kann man sich schon vorstellen. Wenn sie niemanden mehr hat, sondern nur noch Frau Uzdys Schule besucht …«
Nun trat ein neuer Gratulant herein, und zwar der alte Dániel Kendy. Der schmachtende jugendliche Liebhaber von einst machte in seinem altmodischen, leicht abgetragenen Gehrock immer noch gute Figur, nur seine gewaltige rote Nase verriet, dass er kein Verächter der Getränke war. Er beugte sich unter Komplimenten über die Hand der Gräfin.
Bálint Abády benutzte die Gelegenheit, um seinen Platz zu übergeben, und schlenderte hinüber in den benachbarten kleinen Salon. Ein leicht bitterer Geschmack blieb ihm im Mund vor so viel Verdächtigung und Klatsch, die er sich seit dem Mittagessen hatte anhören müssen.
Im kleinen Salon sprachen die Mädchen zusammen mit den jungen Herren unter den Gästen der Jause zu. Der Butler und der Diener servierten fortwährend Kaffee in hohen Gläsern und in Kristallschüsseln Milchbrot, während Frau Abádys Haushälterinnen immer wieder mit neuem Gebäck im Zimmer ankamen, mit meisterhaft geformtem Gugelhupf, Siebenbürger Baumkuchen und anderen Haselnuss-Backwaren, und sie nahmen es schrecklich übel, wenn sich jemand von jeder Art des Angebotenen nicht zumindest zweimal bediente, obwohl das süßliche Lächeln von ihren dicken Gesichtern nie schwand. Bálint war schon seit einigen Minuten dabei, mit den Gästen Höflichkeiten auszutauschen, er gab Antworten nach rechts und nach links, als Dodó Gyalakuthy zu ihm trat und ihn am Arm berührte.
»BA!« – so nannte man Bálint allgemein nach den zwei Initialen seines Namens – »Ich möchte Ihnen etwas mitteilen«, sagte das Mädchen hastig und inmitten des herrschenden Lärms nicht einmal besonders leise. »Setzen wir uns irgendwo auf eine Seite, wo ich es ruhig erzählen kann.«
Ihre schönen, braunen Augen blickten Abády ernst an. Sie gingen zu zwei leeren, kleinen Lehnstühlen in der entgegengesetzten Ecke. Bálint sah Dodó fragend an. Sie schien jetzt zu zögern und begann stockend: »Schauen Sie, bitte, mich geht das zwar nichts an … aber trotzdem … vielleicht ist es richtig, wenn ich Ihnen dies berichte … ich glaube, es ist meine Pflicht … Ihr … Ihr Cousin …« Nun klang ihre Stimme plötzlich entschlossen, und sie wandte sich Abády von Angesicht zu Angesicht zu. »Es geht um László Gyerőffy!« Von jetzt an sprach sie fließend und sachlich. Auch klug und sozusagen fachmännisch. Sie erzählte, was sie von László während Monaten stückweise erfahren und
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