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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Erzählung begleitete er mit den wichtigtuerischen Gesten betrunkener Leute. So schritten sie zurück in die Richtung des Hauptplatzes. Schon breitete sich morgendliche Dämmerung aus. Milchwagen rumpelten auf der Straße in die Stadt. Die Gruppe war beinahe schon vor dem Komitatshaus angelangt, als Gyerőffy mit einer herrischen Bewegung allen Halt befahl. »Hier bestelle ich jetzt die Musik!«, sprach er zu den Zigeunern, und er hieß den Tisch und die Stühle auf den Gehsteig hinunterladen.
    Seitdem er die Villa Uzdy verlassen hatte, überlegte er fortwährend, dass auch er eine Serenade darbringen werde. Daran, dass er kaum mehr als zwanzig Kronen bei sich hatte, dachte er jetzt nicht. Er fühlte sich als ein Herr, der über allen, hoch über allen stand. Vorangehen musste er jetzt, den anderen ein Beispiel geben. Aber wo? Bei wem? Er machte niemandem den Hof, keinem Mädchen, keiner Frau. Kam er vereinzelt aus Szamoskozárd hierher, weil es ihm gelungen war, aus dem Verkauf von Gurken oder Salat ein bisschen Geld zusammenzukratzen, dann machte er an manchem Ort Besuche, gab es einen Ball, dann tanzte er, trank Kaffee mit Schlagobers im Haus von Müttern, die Töchter hatten, bat man ihn darum, so spielte er auch Klavier, doch alles, was er tat, geschah nur mechanisch, ohne jedes Interesse. Dabei war er ein hübscher, gefälliger Mann, den manch ein Mädchen mit den Augen streichelte. Er jedoch achtete auf nichts, bemerkte keine Flirtabsicht, und es war ihm dermaßen gleichgültig, mit wem er sich unterhielt, dass alle ihn zu sich bitten durften – er zeigte sich aus Höflichkeit und vorab aus Teilnahmslosigkeit. So war es wirklich eine offene Frage, wem die Nachtmusik gelten sollte, wenn er schon unbedingt darauf bestand, eine Serenade darzubringen. Seinen Beschluss fasste er erst jetzt vor dem kleinen Palais der Gyalakuthys, das gerade gegenüber dem Haus der Laczóks stand.
    Ein gutes Mädel ist sie, Dodó Gyalakuthy, ganz lieb, ziemlich musikalisch auch. War er bei ihnen, dann pflegte sie ihn zu bitten, für sie Klavier zu spielen. Jetzt, da er seinen Geist anstrengte, erinnerte er sich, dass sie sich mit ihm oft liebenswürdig unterhalten und sich bei ihm nach vielerlei – sowohl nach Fragen der Musik als auch nach seiner Lebensweise auf dem Land – erkundigt hatte. Ja! Ihr, Dodó, wird er musizieren lassen.
    Es ging auf fünf Uhr zu, als Dodó nun schon zum zweiten Mal in dieser Nacht erwachte. Musik ertönte draußen. Seltsam, dachte sie, bringt man heute den Laczók-Mädchen zweimal eine Serenade dar? Wie gut sie es haben! Denn Dodó selber bekam nie von jemandem eine Nachtmusik. Niemand ließ für sie aufspielen, denn die Gyalakuthy-Tochter galt als eine große Partie. Folglich befürchteten alle jungen Herren, in den Ruf eines Mitgiftjägers zu geraten, sollten sie Dodó auch nur der geringsten Bemühung wert finden. Das aber – da sei Gott vor! – wäre eine schreckliche Schande! Dodó wusste das, und es fiel ihr gar nicht ein, dass die Musik ihr gelten könnte.
    So drehte sie sich auf die andere Seite, um weiterzuschlafen. Wozu aufstehen, wie sie das anderthalb Stunden zuvor getan hatte? Da war sie zum Fenster geschlichen und hatte am Vorhang vorbei hinausgespäht. Gewiss waren es jetzt dieselben Leute: die beiden Alvinczy, Baron Gazsi und Onkel Ambrus. Und László Gyerőffy.
    Auch er ist dabei. Ja. Er geht mit, dabei sind ihm alle und alles gleichgültig. Der arme Gyerőffy! Wie verbittert, wie verletzt er von Budapest zurückkam! Oh, jene Klára Kollonich, die Cousine, die ihm solche Schmerzen bereitet, die diesen lieben, lieben Jungen so vergiftet hatte … Wie nur hatte sie das tun können? Wie nur? Ich könnte sie umbringen, dachte sie, während sie wieder einzuschlafen versuchte.
    Doch wie wenn die Musik lauter tönte. Wie wenn sie näher wäre. Sie lauschte. Tatsächlich! Wie wenn sie hier vor ihrem Haus stünden und nicht drüben auf der anderen Seite. Und sie spielen auch etwas anderes. Was ist das? Das war doch der Schuhplattler, den László neulich nach der Jause für sie am Klavier gespielt hatte! Ja, bestimmt! Sie sprang aus dem Bett. Nur so, barfuß, lief sie auf Zehenspitzen zum Fenster. Sie blinzelte neben dem Rollladen hinaus. Draußen war es schon ganz hell. Ein Tisch stand am Rand des breiten Gehsteigs, die Männer saßen darum herum, auch Champagner und Gläser standen da. Zwei Polizisten hatten sich auf beiden Seiten aufgestellt, sie hießen die frühmorgendlichen Passanten

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