Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
ohne die Frage der Kommandosprache oder andere ähnliche Zugeständnisse auch nur zu erwähnen. Maßlose Betretenheit. Verwunderlich, dieses Verhalten Jusths! Natürlich ahnte niemand, dass er dank Kristóffys Vermittlung zur Verhinderung des pluralistischen Wahlrechts bereits geheime Kontakte mit dem Thronfolger geknüpft hatte.
Das verursachte bei der Eröffnung der Parlamentssession gewaltige Aufregung. Und dies umso mehr, als die Regierung nun anstelle der Schaffung einer selbständigen Nationalbank die Möglichkeit einer Kartellbank 73 zu erwähnen begann. Den Steuervorlagen und Reformen, die auf der Tagesordnung standen, schenkte folglich niemand Aufmerksamkeit. Die Anführer der Banken-Gruppe, die Leute um Holló und Barra, führten ein Theater auf, wie es das unter der Regierungszeit der Koalition noch kaum gegeben hatte.
Einzig die Holzhändler und die Forstbesitzer zeigten sich erschrocken über den Vertrag, den die Staatsbahnen geschlossen hatten. Wer mit Holz handelte, war fortan der Firma Eisler ausgeliefert, denn nur über sie würden sich in der Zukunft sleepers verkaufen lassen. Wenn aber ein Unternehmen im Monopol über die vielen Millionen Schwellen verfügt, die der einzige Verbraucher von Gewicht, der Staat, jedes Jahr erwirbt, dann kann diese Firma die Preise nach Belieben drücken. Der Vertrag stand sodann im Widerspruch zur Regelung des öffentlichen Beschaffungswesens. Doch hatte ihn Kossuth unterzeichnet, sodass niemand Einwände zu erheben wagte; was die Holzhändler anging, so versuchten sie sich mit Eisler zu einigen, und die Grundbesitzer regten sich nur schwerfällig; fürs Erste vernahm man von ihnen kein Wort.
Abádys Aufmerksamkeit war durch die ausländischen Nachrichten gefesselt. Die Lage änderte sich beinahe täglich wie die Bilder eines Kaleidoskops. In den ersten zehn Januartagen schien der Krieg unvermeidlich. Der Ballhausplatz verlangte Genugtuung wegen drohender Worte des serbischen Außenministers. In Belgrad gab es hierauf ein Dementi. Doch kaum hatte sich dieser Sturm verzogen, als Montenegro vorprellte mit der Erklärung, es wolle – wenn es sein müsse, sogar allein – den Angriff beginnen, sofern die Großmächte seine Hoffnungen nicht erfüllten. Am dritten Tag danach wurden aber die zwischen der Monarchie und der Türkei geführten Verhandlungen bekannt, als deren Ergebnis die letztgenannte Macht zum Preis von 54 Millionen die Annexion anerkannte, was die Kampfeslust der Serben ein wenig dämpfte. Für eine kurze Weile herrschte Windstille. Dann trafen neue Schreckensnachrichten ein: Bulgarische Truppen waren unterwegs zur türkischen Grenze, Serbien mobilisierte.
Die einheimischen wie die ausländischen Zeitungen berichteten con sordino, aber Bálint hatte im diplomatischen Dienst gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen. Russlands überaus geschicktes Doppelspiel wurde immer offensichtlicher. Während sich Iswolskij an den Aktionen der Mächte zur Beruhigung der Lage beteiligte, ermunterte er insgeheim die Serben, und bald verpflichtete er sich auch Bulgarien, das in der ersten Phase der Krise noch der Monarchie nähergestanden war.
Russland übernahm es, den Schadenersatz zu leisten, den Istanbul für den Verzicht auf jene Ansprüche verlangte, die gegenüber Bulgarien bestanden. Dies ließ sich leicht zugestehen, denn die Türkei schuldete Russland seit vierzig Jahren immer noch Kriegsreparationen. Die Russen erließen einige Millionen von dieser Summe, die sie ohnehin niemals bekommen hätten. Auf solche Weise durfte der Zar in Sankt Petersburg Ferdinand nun schon als bulgarischen König feiern. Zur gleichen Zeit, da Iswolskij gemeinsam mit den Unterzeichnern des Berliner Vertrags erklärte, dass man der Monarchie gegenüber Serbien freie Hand lasse, hielt er in der Duma eine Rede, in der er die Ansprüche der Südslawen berechtigt nannte. Auf solche Art zeichneten sich die Umrisse des späteren Balkanbundes ab, der drei Jahre später die Türkei angreifen und damit das vollkommene Fiasko der Orientpolitik der Monarchie herbeiführen sollte.
Das ungarische Publikum, die Akteure im ungarischen öffentlichen Leben achteten hierauf kaum. Unter den Anführern war vielleicht einzig Andrássy ein klarer Blick eigen. Er konnte indessen nichts unternehmen, denn die anderen beschäftigten sich ausschließlich mit der Bankenfrage. Kossuth und Gyula Justh gerieten immer stärker aneinander. Kartellbank oder unabhängige Bank, so lauteten die Parolen, und die
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