Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
befasste sich einzig mit der Schätzung des vor fünf Jahren gekauften Grundbesitzes sowie der Mühle, und er behauptete, sie seien zu ihrer Zeit sehr wohl fünfzigtausend Kronen wert gewesen. Er selber, beteuerte der Verfasser, könne dies vor aller Welt bezeugen und verantworten, so wie seinerzeit, als er den alten Bartókfáy fachlich beraten habe. Das Problem entstand seiner Meinung nach einzig dadurch, dass Olajos die zwölftausend Kronen betragende Schuld nicht getilgt und die Mühle vernachlässigt habe. Hiefür aber könne er, Boros, nichts. Dann folgten einige rühmende und gerührte Phrasen über den vom Schlag getroffenen Präsidenten des Waisenamts, den man jetzt, da er ungeschützt sei, anzugreifen wage, und dann fügte Boros einige bösartig, aber geschickt formulierte Sätze an über einen Magnaten, der sich leichtfertig in Dinge einmische, von denen er nichts verstehe.
    Der Angriff überraschte Bálint sehr. Er hatte nicht geahnt, dass ein so gewichtiger Mann wie Boros die Angelegenheit abgewickelt hatte. Es lag auf der Hand, dass Boros jetzt darum vor die Öffentlichkeit getreten war, weil er annahm, Abády habe seinen Namen bloß verschwiegen. Mit seinem Gegenangriff wollte er der Möglichkeit zuvorkommen, dass er ihn später doch noch nennen sollte; dadurch erschiene er in schlechtem Licht, wogegen er jetzt erhobenen Haupts vor die Öffentlichkeit trat. Der Wert der Immobilien, ob er nun mehr oder weniger betragen hatte, ließ sich, zumal nachträglich, ohnehin nicht mehr feststellen. Es war ein geschickt verfasster Artikel. Er zeugte von Selbstgefühl und Gelassenheit. Sogar die Bösartigkeit, die darin steckte, hatte der Verfasser in Formen der Herablassung verpackt; ein älterer, an Erfahrung überlegener Mann belehrte da einen unbesonnenen Jüngling.
    Bálint konnte das nicht hinnehmen. Er ließ dem gleichen Blatt eine aus wenigen Worten bestehende Erklärung zukommen. Deren Kern enthielt nur so viel, dass er seine früheren Aussagen über den Fall in allem aufrechterhalte. Diese unwillkürlich herbeigeführte und verhältnismäßig unbedeutende Angelegenheit löste die Lawine aus, die am Ende den mächtigen Dr. Zsigmond Boros begraben sollte.

    Gräfin Róza Abády zog sich im Herbst wieder eine Erkältung zu, und auf ärztlichen Rat beschloss sie, den Winter im Süden am Meer zu verbringen. Sie reiste diesmal nach Abbazia. Bálint hatte ihr die Wahl dieses näher gelegenen Badeorts empfohlen; er meinte, es sei wegen der unabsehbaren Folgen der bosnischen Krise ratsam, innerhalb der Monarchie zu bleiben. Darüber, dass es sogar zu einem Krieg kommen könnte, sagte er der Mutter natürlich nichts, aber die alte Frau verstand auch aus wenig Worten. Man brauchte ihr nicht so lange zuzureden wie zwei Jahre zuvor, als sie nach Portofino fuhr. Sie verreiste jetzt wirklich gern. Seit jenem Auftritt, als Bálint seine Heiratsabsicht mitgeteilt hatte, war das Verhältnis zwischen ihr und dem Sohn ziemlich frostig geblieben. Sie spielten einander alle Äußerlichkeiten des Vertrauens und der Liebe vor, doch Adriennes Bild – angebetet vom Sohn, für die Mutter verhasst und verflucht – stand, wenn sie beisammen waren, stets zwischen ihnen. Deshalb verreiste sie gern.
    Die Mutter wusste, dass sie im Winter bei ihrem Aufenthalt in Klausenburg über die böse Frau, die sie für die Verderberin ihres Sohnes hielt, täglich Nachrichten erhalten würde. Vielleicht befürchtete sie unbewusst, dass es zwischen ihr und Bálint, sollte sie zu Hause bleiben, zu einem neuen Zusammenstoß kommen könnte. Ihre Reise war somit eher eine Flucht. Der Sohn begleitete sie. Einige Tage verbrachten sie in Budapest, dann fuhren sie weiter. Der Schnellzug kam in Fiume mit fünfstündiger Verspätung an. Truppentransporte waren der Grund. Die langen Militärzüge fanden auf dem Gelände der engen Bahnhöfe kaum Platz. Diese waren in einer vertrauensvollen Friedensepoche gebaut worden, die einzig für den Normalverkehr plante. Bálints Herz verkrampfte sich, als er die mit einberufenen Reservisten vollgestopften Waggons aus solcher Nähe sah. Ein wenig Trost bedeutete ihm nur das, was er von Tisza über die Wahrscheinlichkeit einer friedlichen Lösung vernommen hatte.
    Er blieb über die Neujahrstage hinaus bei der Mutter an der Küste des Quarnero. Nicht dass sie in dieser Zeit ihres Beisammenseins das Trennende vergessen hätten. Aber Bálint hatte keinen Grund zur Sehnsucht nach Feiertagen zu Hause. Am zehnten Dezember

Weitere Kostenlose Bücher