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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Wunder hoffen.
    Zusammengesunken saß sie da, das Gesicht mit beiden Händen bedeckt. Das Herz schlug ihr heftig bis zum Hals. Das ganze Elend ihres Schicksals überflutete sie. Wirklich glücklich war sie nur einmal gewesen, in jenen vier kurzen Wochen, die sie mit Bálint in Venedig verbracht hatte. Dabei schwebte auch damals die Todeserwartung über ihr, und doch war es ein ungestörtes Glück … Damals hätte sie, wie geplant, sich umbringen müssen, um von dort niemals mehr zurückzukehren … dann müsste sie jetzt all dies nicht durchleiden.
    Tränen verschleierten ihr die Augen. Ein Weinkrampf begann sie zu würgen. Er brach schließlich durch, sosehr sie ihn auch niederzuhalten suchte. Die Hände vor dem Gesicht, weinte und schluchzte sie lange. Die Tränen sickerten durch ihre Finger, zahlreich fielen sie auf ihr Kleid, ihren Schoß, auf die Falten ihres eng zusammengepressten Rocks.
    »Sie weinen, Adrienne?«, ertönte eine Stimme.
    Uzdy blickte sie aus seinen Kissen an. Ungewiss, wann er erwacht war, seit wann er die Frau mit verwunderten Augen betrachtet hatte.
    Sie vermochte nicht zu antworten und hob nur den Blick. Das Gesicht des Mannes wirkte verwunderlich friedlich – nie hatte sie ihn so gesehen, niemals. Sein Kopf lag unbeweglich da. Das Haar breitete sich auf dem prallen Kissen aus, wie eine keilförmig geschnittene Mütze wirkte es in der Mitte, während es auf beiden Seiten des Schädels eckig hinaufragte; die Augenbrauen zogen sich schräg zur Schläfe, sein auf teuflisch stilisierter schwarzer Bart lief spitz aus. Und doch gab es jetzt nichts Satanisches an ihm. Ein mildes, fast um Verzeihung bittendes Lächeln spielte um seine Lippen.
    »Sie weinen. Warum?«, sagte er wieder. »Sie weinen doch nicht etwa um mich? … Warum sollten Sie das tun?« Er sprach die Worte langsam aus, als rede er zu sich selber: »Ich weiß, dass Sie mit mir nicht glücklich waren … Warum also sollten Sie um mich weinen?«
    Nun schaltete er eine Pause ein, bevor er fortfuhr: »Vielleicht hätte ich es nicht so anstellen sollen … sondern anders, ja anders hätte ich es anstellen sollen … ganz anders … Ich wusste es nicht, ein Fehler, das war ein Fehler, dass ich es nicht wusste …«
    Der Weinkrampf überwältigte die Frau wieder. Sie beugte sich vor und ließ die Stirn tief auf die Knie fallen. Lautlos weinte sie. Ihr Rücken zuckte unter der Bluse. Schließlich schaffte sie es, den Kopf wieder zu heben, und Uzdy, der vielleicht hierauf gewartet hatte, sprach noch einmal. Seine Stimme kam aus der Ferne, fast vom Jenseits: »Wie es auch immer war … wie auch immer … Sie sollen wissen, dass ich Sie sehr geliebt habe …« Und als wäre er müde geworden, schloss er die Augen.
    Er öffnete sie auch später nicht. Weder bei den leise klingenden acht kleinen Schlägen der Wanduhr noch als die Tür aufging und Maier, der Butler, hereinkam. Und auch hernach nicht, obwohl Adrienne, bevor sie sich entfernte, mit ihren kühlen Fingern das Haar des schlafenden Mannes entlangstrich.
    Der Tag war schon angebrochen. Zwei dunkle Gestalten zeigten sich draußen im Korridor hinter dem sächsischen Arzt. Eine aus eisernen Röhren verfertigte Tragbahre stand etwas weiter entfernt.
    Die Frau huschte zur Treppe. Sie wollte nichts hören und sehen von den Schrecklichkeiten bei Uzdys Überwältigung. Sie kam aber über einige Treppenstufen nicht hinaus, die Beine trugen sie nicht. Sie blieb angsterfüllt stehen und lehnte sich an die Bretterwand. Unten öffnete sich die Tür. Das Stampfen von Füßen. Dann eine verdutzte Stimme, die ihres Mannes, der immer kraftvoller rief: »Na! Na! Na! Na! …« Und dann nichts mehr. Nichts.
    Entsetzlich, diese tiefe Stille!
    Doch nun wurden wieder Schritte laut. Militärische Schritte. Die Glastür ging auf, durch die man in den Hof gelangte, zur Stelle, wo die Holzstapel standen. Irgendein Kommandowort. Schon waren sie draußen, sie waren weg! Die Frau lief wieder hinunter. Im hellen Morgenlicht bekam sie den Zug noch zu sehen. Wie eine Leiche, so trugen sie den ausgestreckten und mit einem Leintuch zugedeckten Uzdy. Eine schnell wirkende Spritze musste ihn gefällt haben. Sein Gesicht, totenblass, wirkte wie Wachs.
    Adriennes Knie gaben nach. Weinend sank sie auf den Fenstersims. Wieder schluchzte sie lange. Doch nun trauerte sie nicht um sich selbst. Sie vergoss ihre Tränen aus Mitleid.

VI.

    Adrienne schrieb Bálint einen Brief. Sie befand sich nicht mehr in Almáskő, sondern

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