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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Korridor begegneten sie dem alten Maier.
    »Die anderen zwei Pferde sollen in einer halben Stunde eingespannt bereitstehen«, ordnete Uzdy im Vorbeigehen an und sagte dann dem Arzt zur Erklärung: »So können Sie, Herr Dozent, schon am frühen Nachmittag wieder zu Hause sein, nicht wahr, und so ist es gut, so ist es am besten. So nehmen wir Ihre kostbare Zeit nicht allzu sehr in Anspruch …«
    Hinter der Ecke des Korridors bogen sie wieder rechts ein. Hier begann die Holztreppe, die zum unteren Erdgeschoss des am Berghang erbauten Hauses hinunterführte. Adrienne wäre beinahe umgekehrt, doch überwand sie sich, die Stufen zu betreten. Sie hasste diese Treppe. Ihr Mann pflegte hier zu ihr hinaufzusteigen, und jedes Mal, wenn die Stufen knarrten, wurde sie von Entsetzen gepackt. Sie selber benutzte darum diese Treppe nie. Da sie aber Uzdy versprochen hatte, bei ihm zu bleiben, solange der Arzt da war, konnte sie nicht zurück. Sie kamen unten an. Der Hausherr führte die Begleiter in sein Schlafzimmer. Das Fenster war vergittert wie überall in diesem Flügel, wo einst Uzdys Vater als Geistesgestörter seine letzten Jahre verlebt hatte. Das Zimmer wirkte ziemlich eng und anspruchslos: ein einfaches, eisernes Bett an der Wand, wenige Möbelstücke, nur das Notwendigste.
    Uzdy ließ den Arzt auf einem Stuhl Platz nehmen, er selber setzte sich ihm gegenüber auf das Bett und zog seine Frau eng an sich. Und gleich hob er betont höflich, mit einem untertänigen Lächeln und unter vielen Verbeugungen an: »Zu Ihrer Verfügung, bitte, geruhen Sie. Geruhen Sie zu fragen! Zu Ihrer Verfügung.«
    Der Dozent hüstelte und bemerkte verlegen: »Also bitte, so vor der Frau Gräfin … das ist ein wenig … ein wenig ungewohnt …« Doch Uzdy fiel ihm, während er den Arm der Frau ergriff, gleich ins Wort.
    »Wir haben voreinander keine Geheimnisse. Nicht wahr, Addy? Wir sind ganz vereint, bilden ein Ganzes, nicht wahr? Bitte nur zu, nur zu!«
    Nun folgten die üblichen Fragen nach dem Schlaf, der Arbeitsfähigkeit und sogar nach heikleren Themen. Der Mann antwortete dem Anschein nach auf alles ruhig und sehr zufriedenstellend. Er sprach, als ob er sich vorbereitet hätte. Zwar redete er ein wenig zögerlich, als überlege er jedes Wort, doch der Arzt bemerkte dies wohl kaum, da er ja diesen Patienten zum ersten Mal zu Gesicht bekam. Dann kamen die Knie- und Augenreflexe an die Reihe, das Gehen mit geschlossenen Augen, das Abklopfen der Lungen und die Kontrolle des Herzens. Uzdy ließ alles mit Lammesgeduld über sich ergehen. Adrienne allein nahm wahr, wie grimmig aufmerksam Uzdy die Hände des Arztes beobachtete, als er ihn am Kopf berührte oder ihm das Stethoskop an die Brust legte.
    Das Ganze dauerte ziemlich lange. »Ich beglückwünsche Sie, Herr Graf«, erklärte dann Dr. Palkovics, »Sie sind kerngesund. Sie mögen etwas nervös sein, doch das ist bei einem Intellektuellen ja normal. Ich werde Ihnen deshalb ein leichtes Sedativ verschreiben, nehmen Sie das bitte eine Zeitlang. Das ist alles. Wirklich alles.«
    Er stellte mit seiner Füllfeder ein Rezept aus, übergab es und stand auf. Adrienne wurde nicht untersucht. Der Dozent wusste sehr wohl, dass man ihn einzig des Mannes wegen gerufen hatte, und so suchte er nichts zu erzwingen.
    »Die Kutsche wartet schon auf Sie«, drängte Uzdy, »es ist Zeit, zur Bahnstation zu fahren.«
    Vom Korridor aus führte er die beiden durch den Diensteingang gleich ins Freie. Hier am Berghang gelangten sie zwischen Stapeln von aufgeschichtetem Brennholz und Eichenstöcken, von denen man zum Gewinn von Gerbstoff die Rinde abgelöst hatte, unmittelbar zum Stall. Die Kalesche stand schon fahrbereit. Während der Arzt darin Platz nahm und bis das Gefährt sich in Bewegung setzte, hörte Uzdy nicht auf zu wiederholen: »Ich danke Ihnen wirklich sehr, Herr Dozent, Sie haben mir eine große Ehre erwiesen, ich habe mich sehr gefreut, danke, danke …« Doch als der Wagen im unteren Tor verschwand, richtete er sich plötzlich auf. Langsam schritten sie zurück zum Haus.
    Der Mann blieb auf halbem Weg stehen. Sein Gesicht schien triumphal zu glänzen. Er blickte zur Frau hinab. »Hierfür, Addy, bin ich Ihnen dankbar. Gehen Sie aber jetzt hinein. Gehen Sie hinein, in Ihr Zimmer.«
    Adrienne entfernte sich gern und sofort. Dass dieser Facharzt sich so beruhigend geäußert hatte, bereitete ihr an sich schon Freude. Es freute sie aber auch, jetzt allein bleiben zu dürfen, denn sie hatte in den

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