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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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erfüllt.

    »Jetzt muss ich zurück«, sagte Adrienne, »sonst fiele es auf, dass ich so lange im Wald bleibe.«
    Sie trat zum kleinen Fenster, das sich nach Osten öffnete, und stieß den Laden auf. Der Sonnenschein drang als goldener Balken in die Hütte und zeichnete ein scharfes Viereck auf den gestampften Lehmboden. Das Dämmerlicht ahnungsvollen Zaubers, das bisher das Innere der Kate erfüllt hatte, wich mit einem Mal der Nüchternheit. Mehr als ein einfacher, sehr gewöhnlicher Verschlag, der den Jagdhütten allgemein glich, war es tatsächlich nicht. Die Wände hatte man aus Rundholz aufgeschichtet und die Ritzen mit lehmiger Erde und Moos gut abgedichtet, damit der Wind nicht hereinzog und kein Lichtstrahl hindurchdrang. Nichts befand sich darin außer einem kleinen Kochofen und in einer Ecke einem Waschbecken aus Blech sowie einer einfachen, aber breiten Tannenholzpritsche in der gegenüberliegenden Ecke. Darauf ein Strohsack, den man – freilich nicht mit Stroh, sondern mit duftendem Heu – dicht gefüllt hatte. Haken an den Holzbalken, an denen das eine oder andere Kleidungsstück Bálints, sein Gewehr und sein Ranzen hingen. Ein Lustschloss war diese Unterkunft im Wald wahrhaftig nicht. Aber es war gut so. Sie mussten alles Auffallende vermeiden. Und sie beide hielten es für vollkommen nebensächlich, welche Art von Behausung ihre neu belebte Liebe aufnahm. Ihre ganze Welt fand Platz in dieser kleinen Kate, die einer Elendshütte glich.
    Bevor sich Addy auf den Heimweg machte, setzten sie sich auf den Rand der Liegestätte. Sie hielten einander an der Hand. Die Frau brach schließlich das lange Schweigen. Ihre gelben Onyxaugen wandten sich Bálint nicht zu, sie blickte nur vor sich hin. Sie sprach ganz langsam, sehr überlegt: »Du musst an einem dieser Tage nach Almáskő herüberkommen … Uzdy ist zu Ohren gekommen, dass du dich im Mai hier in der benachbarten Region aufgehalten hast … Er wird es jetzt, wenn er nach Hause kommt, wieder erfahren … und … und … es wäre ungut, wenn du nicht kämest … er würde das sonderbar finden …«

    Sie versank wieder in Gedanken. Sie dachte darüber nach, was soeben ungesagt geblieben war. Über die Art, wie Uzdy die Sache zur Sprache gebracht hatte.
    Es war etwa zwei Wochen her, sie tranken nach dem Mahl im Salon den schwarzen Kaffee, wie gewöhnlich; Gräfin Clémence, die alte Frau Uzdy, saß auf dem Kanapee, sie neben ihr im Lehnstuhl, und ihr Mann schritt – mit seinem achtsamen, präzisen Gang – auf und ab. Plötzlich hielt Uzdy inne. Er stand gerade aufgerichtet ihr gegenüber. Und aus der Höhe eines Turms, wo er seinen Kopf trug, sprach er scharf zu ihr hinab: »Haben Sie gehört, dass sich Abády hier in der Nachbarregion aufgehalten hat?«
    Adrienne wusste nicht, wie sie antworten sollte. Während der Dauer einer Sekunde schoss ihr der Gedanke an zwei Möglichkeiten durch den Sinn: Sagt sie »Nein«, und Uzdy wäre bekannt, dass sie sich mit Bálint getroffen hat, dann könnte das in erster Linie für Bálint selbst den Tod bedeuten. Gibt sie aber zu, dass sie über seine Präsenz im Bild war, dann würden zahllose weitere Fragen folgen – von wem habe sie es vernommen, wie und wann –, und sie würde sich in die eigenen Antworten wie in eine Leine verwickeln, die Schlinge zöge sich immer enger zu, und damit löste sie eine Lügenlawine aus, der sie nicht mehr zu entrinnen vermöchte.
    Eher leugnen – komme, was kommen muss! Sie blickte ihm in die Augen und antwortete prompt: »Nein, ich habe es nicht gehört.«
    »So, so. Natürlich, natürlich! Dabei war er im Mai da, er hielt sich mehrere Tage hier im Wald in unserer Nähe auf. Und er hat uns mit seinem werten Besuch nicht beehrt, meine Mutter, mich und vor allem Sie, das heißt uns alle zusammen.«
    Adrienne antwortete nicht. Ihr Mann durchschritt langsam das Zimmer, dann stellte er sich wieder vor seine Frau hin. »Finden Sie das nicht merkwürdig? Man könnte es mit Blick auf die hochberühmten gesellschaftlichen Regeln fast beleidigend nennen. Oh, von den Regeln halte ich zwar nicht viel … Aber er war einst einer unter Ihren vielen Verehrern. Oh, en tout honneur! Natürlich!« Und nun lachte er, wodurch sich sein lang gehaltener Schnurrbart noch höhnischer verzog. Nach kurzer Weile hob er wieder an: »Finden Sie es nicht zumindest seltsam, was? Seltsam! Das ist das passende Wort, jawohl, seltsam. Letztes Jahr war er sogar zweimal bei uns, aber im Herbst, seitdem Sie und

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