Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
ihre Wangen und ihre Hand. Die alte Dame schob ihn jedoch ein wenig frostig zurück, und kühl sagte sie: »So geh eben, wenn es sich so verhält. Geh nur.«
Die Beratung im Büro des Oberstuhlrichters in Bánffyhunyad schien ergebnisreich zu verlaufen. Vier Kreisnotare übernahmen die Anweisungen. Drei unter ihnen allerdings hatten einige Zweifel am Plan: Im Hochgebirge fänden sich kaum Bauern, die der Genossenschaft in einer anderen Gemeinde beitreten würden; sie fühlten sich dort fremd, hielten dort keine Kontakte, auch verstünden sie die Angelegenheit gar nicht. Doch wenn es der Wunsch der Regierung sei, dann wollten sie einen Versuch machen. Einzig Gaszton Simó, der Notar von Gyurkuca, war seiner Sache sicher. Er gab sich selbstbewusster denn je. Der Oberstuhlrichter und er waren Duzfreunde, über etliche Ecken auch miteinander verwandt. Sein Onkel war Kammerherr, reiner Zufall also, dass Simó es nur bis zum Amt eines Kreisnotars gebracht hatte. Der Zufall freilich bestand darin, dass vor der Maturitätsprüfung ein kleines Malheur geschehen war. Irgendein unbedachter Streich mit der Kasse des Bildungsvereins. Das brachte seine Familie damals in Ordnung. Na, und wenn schon! Auch als Kreisnotar galt er als ein Herr, ja als ein richtiger Pascha, jetzt noch gewichtiger als vorher, denn heuer war er zum Präsidenten der Notare des Komitats gewählt worden. Ein wahrhaftig geschickter Mann, dieser Simó!
So wie er als deren unbedingter Parteigänger früher Kálmán Széll 17 und später István Tisza 18 gepriesen hatte, so pries er jetzt Ferenc Kossuth und neuerdings manchmal sogar Gyula Justh 19 .
»Ich mache das schon«, sagte er, und seine Augen blinkten wie Schuhknöpfe schlau unter den dichten Brauen hervor, »ich treibe so viele Leute in die Genossenschaft, wie man nur will. Wie viele sind Ihnen gefällig, mein lieber Graf?«, fragte er Bálint betont vertrauensselig.
Der Unwille, der sich bei jedem Zusammentreffen mit Simó meldete, bemächtigte sich Bálints wieder.
»Von Befehl ist hier keine Rede. Freiwillig sollen sie sich melden. Man muss den Leuten erklären, worin ihr Interesse besteht. Wir brauchten einige bessere, klügere Bauern. Es tut nichts, wenn sie etwas Schulden haben, die ganze Aktion zielt ja darauf, sie aus den Klauen der Wucherer zu befreien. Das muss man den Leuten klarmachen. Begegnet man ihnen mit Güte, kann das unmöglich ohne Echo bleiben. Ein Beispiel schließlich liegt vor: Im letzten Winter ist ein Wucherer dieser Art im Hochgebirge umgebracht worden, wie hat er schon wieder geheißen? – ja! – Pantelimon Rus. Nun, es würde solchen Vorfällen ein Ende setzen, wenn die Menschen beitreten wollten.«
Gaszton Simó lachte säuerlich.
»Ja, ja, allerdings, Rus, den hat man tatsächlich totgeschlagen.«
Seine Stirn legte sich ein wenig in Falten. Nicht wegen des besagten Rus, sondern weil er die Anspielung sehr wohl verstanden hatte. Er wusste, dass Abády ihn verdächtigte, an den unsauberen Wuchergeschäften beteiligt gewesen zu sein, wegen welcher Rus in einer Winternacht erschlagen wurde. Doch als disziplinierter Beamter pflichtete er allem bei, was der Herr Abgeordnete sagte, und erklärte sich zu allem bereit, was die Regierung befahl, während er dem Oberstuhlrichter bedeutsam zuzwinkerte. Der Beschluss zuletzt besagte, dass in drei Gemeinden, in denen es auch den einen oder anderen rumänischen Bauernhof gab, in Szentkirály, Gyerőmonostor und Magyarókerek, Kreditgenossenschaften neuen Typs gegründet würden und dass deren Wirkungskreis auch die benachbarten Hochgebirgsdörfer einbeziehen sollte.
Am Nachmittag fuhr Abády in der Kutsche hinaus in den Wald. Zum ersten Mal bezog er die Jägerhütte, die er in der Nähe der Uzdy gehörenden Eichenwälder hatte zimmern lassen. Am Abend entließ er seine Begleiter und blieb allein.
Vor dem Häuschen nahm er sein Nachtmahl ein. Lange noch saß er in der dunklen Nacht da. Vollkommene Stille. Kein Laut, nur das Laub säuselte leise nah und fern – geheimnisvolle Atemzüge des schlafenden Waldes. Schließlich legte er sich zur Ruhe. Adrienne würde erst am frühen Morgen kommen. Vielleicht schon bei Tagesanbruch. Wenn sie die paar Zeilen, mit denen er sie benachrichtigte, erhalten hat …
Wenn sie sich freimachen kann …
Wenn sie es sich nicht anders überlegt hat …
Wenn alles so geschieht, wie sie beide es geplant haben …
Und jede seiner Nervenfasern war von sehnsuchtsvoller Erwartung
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