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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Genossenschaften in Angriff nehmen sollte: auf der Siebenbürger Heide, in der Gegend um Lélbánya oder in Kalotaszeg. Er erwog das Für und Wider, während ihn der Schlaf langsam übermannte. Die letzten, sich aneinanderreihenden Argumente sprachen für Kalotaszeg. Zu den ungarischen Gemeinden in der Randlage am Fuß der Schneeberge, dem Kerngebiet, wo man die erforderlichen Anführer würde finden können, ließen sich einige der rumänischen Gebirgsdörfer hinzufügen. Ja, dort muss das Werk begonnen werden! Und in seinem Geist, der sich allmählich dem Schlaf ergab, klang ganz leise auch mit, dass in jener Gegend, auf dem Grat zwischen dem Körös und dem Almás-Tal, mittlerweile die kleine Waldhütte gebaut worden war, auf jener Waldlichtung, in deren Schutz er im Versteck und im Geheimen von neuem die Stunden würde durchleben können, die in der trunkenen Erinnerung an Venedig nicht mehr aufhörten, sein Blut feurig durch die Adern zu jagen.

    Róza Abády empfing ihren Sohn bei der Rückkehr nach Dénestornya mit großer Freude. Seit seiner Wortmeldung im Parlament war sie auf ihn sehr stolz. Zumindest dreimal schon hatte sie die Rede ihren beiden Haushälterinnen, Frau Tóthy und Frau Baczó, vorgelesen, die dazu heftig nickten und sich jedes Mal, wenn sie sie hörten, gehörig wunderten. Selbst Ázbej bekam einmal die Rede zu hören; er machte nach jedem Satz andachtsvolle Bücklinge. Dann verschloss Frau Róza den Text in ihrer Schublade, um ihn von Zeit zu Zeit doch wieder heimlich hervorzunehmen und sich abermals seinem Genuss hinzugeben. Und jetzt überkam sie heftige Rührung, als Bálint ihr von seinen Plänen und dem Regierungsauftrag berichtete. »Als hörte ich deinen seligen Vater«, sagte sie und drückte den Kopf des Sohns an ihre weiche Schulter. Dann fragte sie, in welcher Gegend er mit der Arbeit beginnen wolle.
    »Ich denke vorläufig an zwei Kreise. Einer hätte Lélbánya zum Mittelpunkt, wo die Genossenschaft bereits besteht, man müsste nur die Verbindung zu den umliegenden Gemeinden herstellen. Der andere wäre irgendein Dorf in Kalotaszeg am Fuß des Hochgebirges, dort könnte man zwei bis drei Dörfer des Hochlands miteinbeziehen.«
    »Und mit welchem machst du den Anfang?«
    »Ich glaube, ich beginne in Kalotaszeg. Ich habe dem Oberstuhlrichter bereits einen Brief geschrieben, er solle alle Notare der Gebirgsregion einberufen, damit wir die Angelegenheit besprechen.«
    »Du reist also dorthin weiter, kaum dass du angekommen bist?«
    »Ja. Die Besprechung findet übermorgen statt. Zugleich will ich auch die Wälder besichtigen.«
    Frau Rózas Miene verdüsterte sich ein wenig. Mit ihren vorquellenden grauen Augen blickte sie den Sohn an, als wolle sie etwas fragen. Zuletzt sagte sie aber nur so viel: »Also wieder dorthin?« Und sie versank in Gedanken.
    Einen Monat zuvor waren gleich zwei in Nagyalmás gestempelte Briefe angekommen. Sie öffnete den Postsack immer selber, um die Briefe unter den Leuten im Schloss von Dénestornya zu verteilen, und so kannte sie seit langem Adriennes sich nach rückwärts neigende Schriftzeichen. Schon vor Urzeiten, als Bálint noch im diplomatischen Korps diente, hatte sie die Frauenhandschriften auf den Briefumschlägen, die an ihren Sohn adressiert waren, beobachtet. Sie bereiteten ihr damals noch Freude, denn sie empfand – wenn auch nur insgeheim – Stolz auf Bálints Erfolge bei den Frauen. Doch Adriennes Briefe von letztem und vorletztem Jahr erfüllten sie bereits mit Besorgnis. Nachdem aber seit dem letzten Sommer kein solcher Brief mehr angelangt war, fühlte sie sich beruhigt.
    Neulich aber kamen zwei Briefe innerhalb von drei Wochen. Hat denn das nun wieder begonnen? Umgarnt diese böse, gefährliche Frau ihren Sohn von neuem? Gedanken dieser Art wälzte sie erregt, während ihr Bálint langatmig, wohl mit übertriebener Ausführlichkeit auseinandersetzte, »dass der Forstingenieur und die Landvermessung … und die Grenzmarkierung und das Holz von den Schneisen … und der Jungbestand und die Försterhütte, die Landkarte und der Katasterplan …« Und unterdessen spürte er, dass die Mutter all das gar nicht hörte, sondern an das Gleiche dachte wie er selber, nämlich dass er sich wieder mit Addy treffen wird.
    »Ich bin immer fast so einsam wie damals, als du im Auslanddienst warst … Aber das scheint nun einmal mein Schicksal zu sein«, sagte Frau Abády, als sie sich trennten. Bálint umarmte sie mit großer Herzlichkeit, küsste

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