Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
worden. Das Bild hing kaum ein Jahr in Szamoskozárd im oberen Zimmer, das man improvisiert als Salon eingerichtet hatte. Die hinterlassene Lücke war auch jetzt noch zu sehen, ebenso der Nagel, an den man es gehängt hatte, sowie die dahinter gewobenen Spinnennetze. Lászlós Vater hatte das Bild aus dem Fenster geworfen, als ihm die Frau weggelaufen war. Damals hatte es sich gespalten.
    Wie es hernach in Sándor Kendys Besitz kam, wusste niemand. Vielleicht durch Zufall, vielleicht dank vielen heimlichen Bemühungen. Vielleicht wurde ihm das beschädigte Meisterwerk vom Krämer am Ort verkauft. Mag sein, dass es sich so zugetragen hatte. Und mit dem Bild verbanden sich auch viele andere Geheimnisse. Dumpfe Sehnsucht, alte Leidenschaft, Missverständnis, Trotz und Enttäuschung. Wohl auch die ewige Qual, die das Versäumte verursacht. Jahre vergingen, und Kendy hatte einmal in Háromszék mit einem Anwalt zu tun. Dort erblickte er dessen Nichte, Alice Folbert, das lebendige Ebenbild der verlorenen Frau. Die Begegnung mit dem Mädchen wirkte so, als hätte er zwanzig Jahre früher die inzwischen Verschwundene wiedergefunden. Dass die unverheiratete junge Dame schon damals schwerhörig war, schreckte ihn nicht etwa ab, er freute sich vielmehr darüber. So würde alles unpersönlicher sein.
    Sie kann gar nicht wünschen, dass man zu ihr spricht, das braucht es nicht, ist auch nicht möglich; es wird genügen, sie zu sehen, anzuschauen und zu beobachten, wie sie geht, die Schultern hält, wie sie sich über ihre Stickarbeit beugt, wie sie herüberblickt und wortlos lächelt. Sie ist da und ist es auch nicht: ein Symbol nur, ein Traum, ein Geist und doch aus Fleisch und Blut, und er kann für sie auf dem Klavier alte, sehr alte Melodien erklingen lassen, die er anderen nie hat vorspielen können, und das Ebenbild kann sie nicht hören, nichts darüber sagen, es kann keinen ungeschickten, dummen Satz daherplappern, der den Zauber dieser Gauklerei durchbrechen würde.
    Denn er hätte diese Chopin-Stücke während langer Abende der anderen, jener treulosen Trotzigen, der Unbeugsamen vorspielen wollen, sie allein hatte einst vielleicht gespürt, dass sich hinter dem Panzer seiner Grobschlächtigkeit eine Mimosenseele verbarg. In Sándor Kendy, dem Kajsza mit dem schiefen Mund, sah jeder einen Mann aus Eisen. Einen groben Menschen, der unflätige Reden führte.

    »László Gyerőffy?«, antwortete Abády schließlich. »Der Arme ist in ziemlich schlechter Verfassung. Sein Gut hat er auf zehn Jahre verpachtet und die ganze Summe sich im Voraus auszahlen lassen. Ein bisschen wird ihm wohl auch so noch bezahlt, aber er hat, wie ich höre, viele alte, unbeglichene Schulden, immer wieder wird bei ihm etwas beschlagnahmt … Versteigerungen werden angekündigt. Schlimm ist dazu noch, dass er trinkt. Und dass er sich um gar nichts kümmert.«
    Der alte Herr antwortete nicht gleich. Seine Augen hingen noch am Bild … In unveränderter Haltung bemerkte er zuletzt: »Solch ein Ochs! … Und findet sich keiner, der ihn zu einem anderen Benehmen zwingen könnte?«
    »Er hört leider auf niemanden … Ich habe es auch schon mehrmals versucht. Vergeblich. Seitdem meidet er mich … Es ist ein regelrechter Selbstmord, was er mit sich anstellt … Sollte man ihn unter Vormundschaft stellen, so wäre das vielleicht seine Rettung. Aber es gibt niemanden, der das beantragen könnte. Dies steht nur den Eltern oder den Geschwistern zu, und die gibt es nicht.«
    »Saublöd!«, sagte Kajsza, und dann schwieg er lange. Schließlich erhob er sich. »Lass uns schlafen gehen; es ist spät. Und du musst früh wieder auf, um den Morgenzug zu erreichen. Ich habe den Wagen auf sechs Uhr bestellt. Der bringt dich bis Héjjasfalva. Dort kriegst du den Schnellzug.«
    Sie brachen auf. Das Gastzimmer befand sich hinter der Korridortür, unmittelbar neben dem Saal. Kendy verabschiedete sich hier einsilbig. Er drehte sich um und ging. Davon, dass er ihn zum weiteren Verbleiben hätte überreden wollen, war natürlich keine Rede. Bálint fand lange keinen Schlaf. Ihm schien, jemand gehe jenseits der Wand auf und ab. Schwere, langsame Schritte dröhnten im benachbarten großen Salon. Der alte Woiwode, eine Zigarre im Mund, schritt dort unentwegt von der Glaswand zum Fenster und wieder zurück.

IV.

    Acht Paar Lipizzaner trabten auf dem linealgeraden Feldweg. Wunderbare Pferde, lauter Apfelschimmel, ein jedes wie das andere, wie wenn sie vom gleichen Model

Weitere Kostenlose Bücher