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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Welpen, kommen lassen. Der Hund reiste in einer vergitterten Kiste mit dem Orientexpress. Die österreichischen Zöllner beanstandeten in Passau seine Einreise (vielleicht waren die Papiere des Tiers nicht in Ordnung); sie wollten den kleinen deutschen Vorstehhund vom Zug nehmen und bis zur Klärung seiner rechtlichen Lage zurückbehalten. Slawata befand sich zufällig im Expresszug. Er schaltete sich ein. Seine Qualität als Diplomat erwies sich als entscheidend. Er befreite den Hund nicht nur aus den Klauen der Zöllner, sondern sogar aus der Kiste und brachte ihn in seinem Coupé bis Wien, obwohl der Welpe noch nicht einmal zimmerrein war. Wirklich eine große Liebenswürdigkeit und ein Dienst verbindlichster Art.
    Nun besagte eines von Szent-Györgyis Hauptprinzipien, dass man niemandem etwas schulden und eine Liebenswürdigkeit ohne reichliche Vergeltung einzig von seinem besten Freund akzeptieren dürfe. Je fremder, ja sogar verächtlicher der fragliche Mann sei, umso üppiger müsse man ihn entlohnen, damit er sich nicht etwa einbilde, er könne ihn, Szent-Györgyi, sich auf irgendeine Art verpflichten. Und da er Slawata kein Trinkgeld geben konnte, lud er ihn halt zur Jagd ein. Die Entrichtung einer beliebig hohen Summe wäre ihm lieber gewesen.
    War er nun aber einmal zu solchem Tun gezwungen, dann stellte er es großzügig an. Bei der Aufstellung der Jäger wies er Slawata den vornehmsten Platz zu: eine Ecke. Hasen haben nämlich die Eigenschaft, dass sie – zumeist außerhalb der Schussweite – die Linie der Treiber entlangrennen und an der Ecke, wo man zwischen der Flanke und der Front ein Tor offen lässt, dem zuäußerst stehenden Jäger entgegenrasen. An dieser Stelle bieten sich also die meisten Tiere zum Abschuss aus der Nähe an. Slawata galt als ein recht kümmerlicher Schütze. Zu seinem Nachbarn – zum »Eckhalter« 36 – bestimmte man deshalb Luika Kollonich, er war eben ganz erstklassig. Die Anweisung an ihn lautete, er müsse Slawata »unterstützen«, das heißt ihm mit dem Schuss möglichst schon von weitem und möglichst oft zuvorkommen.
    »Man braucht ihn nicht zu schonen!«, wies der Hausherr vom Wagen herab seinen Neffen an, und zwinkernd, mit frostiger Miene deutete er in die Richtung der Eckstellung. Dann fuhr er weiter, vorbei an seinem Sohn Toni bis zur Nummer vier. Frau Berédy befand sich auf seinem Wagen. Auch Fanny schickte sich an, den Wagen zu verlassen, als ihr Herr Antal beim Aussteigen zurückrief: »No! Do go on!« Und er winkte dem Kutscher.
    Ein nachsichtiges Lächeln glitt über die Lippen der schönen Frau. Mehrere Monate, nachdem László Gyerőffy sie verlassen hatte, knüpfte sie mit Antal Szent-Györgyi ein Verhältnis an. Früher hatte sie ausschließlich junge Liebhaber, doch nach der Erschütterung, die ihr László verursacht hatte, der Einzige, durch den ihre Liebe wirklich geweckt worden war, gelüstete es sie nicht mehr danach, mit jungen Männern anzubändeln. Die paar Worte, die Gyerőffy zum Abschied an sie gerichtet hatte – »Ich danke Ihnen für alles, was Sie für mich getan haben«, so viel, nur so viel stand auf einer kleinen Visitenkarte –, widerhallten noch lange schmerzhaft in ihrem Herzen. Beinahe ein Jahr lang war sie allein geblieben. Hernach ergab es sich, dass sie Szent-Györgyi fand. Jemanden brauchte sie schließlich; ihr Gatte lebte schon seit langem ein anderes Leben. Sie nahm also die wortlose Werbung des etwa fünfzigjährigen Mannes an. Er war groß gewachsen und elegant; wie ein fein gezüchteter Windhund, so wirkte er. In seiner Nähe würde ihr keinerlei Überraschung widerfahren. Von Leidenschaft war keine Rede, nur von Freude und Kameradschaft. Er war vorsichtig und gab nur schon um seiner selbst willen besonders acht, wo er doch mit seiner bereits alternden Frau in sehr glücklicher Ehe lebte. Und Vorsicht ist von Wichtigkeit. Der famose Herr Berédy – spöttisch dachte sie an ihren Mann – würde sich unmäßig freuen, wenn er mich hinauswerfen könnte. Einmal hat er das auch klar gesagt. Sie passte folglich immer sehr auf sich selbst auf. Ein wenig leichtsinnig hatte sie sich einzig in Lászlós Zeit benommen.
    Bei dem Herrn da braucht man wirklich keine Angst zu haben, dass er mit mir ins Gerede kommt, dachte sie und lächelte darüber. Sie hatte schon zwei Tage hier verbracht; der dritte war nun der Jagdtag. Bei der Herreise hatte sie gedacht, der Gastgeber habe sie kommen lassen, um sie nachts zu besuchen. Das

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