Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
wohl! Und … und schon darum nicht, weil er sehr gern … oh, sehr gern gekommen wäre … das weiß ich auch … gern auch meinetwegen! Aber darüber sollst du nicht reden!«, sagte sie, den Kopf jäh der kleinen Lili zugewandt. »Das ist ein Geheimnis.«
»O nein, keineswegs!«, beteuerte das Mädchen eifrig in ihrem tief gurrenden, ein wenig kehligen Ton. Es schmeichelte ihr sehr, in ein solch tiefes Geheimnis eingeweiht zu werden.
»Papa hätte auch auf Bálint verzichten können; er war früher bei der Jagd hier nie dabei, als Schütze ist er auch nicht so vorzüglich wie … wie …« Gyerőffys Namen sprach sie nicht aus, ihre Stimme brach ab.
Kláras meergraue Augen öffneten sich weit. Sie blickte Magda beinahe drohend an. Ein Glück, dass Lili lebhaft einwarf: »Warum gerade Abády? Ich finde, das wäre schade gewesen.«
»Schau dir das an! Dieser Fratz!«, lachte das Szent-Györgyi-Mädchen. »Hast du an ihm etwa Gefallen gefunden?«
Das dralle, kleine Mädchen lief blutrot an. »Ach wo, nein, ich will nur … ich sage das nur so …« Doch Magda hörte ihr gar nicht zu, in ihren Gedankensprüngen war sie schon weiter: »Wisst ihr, ich glaube etwas ganz anderes. Papa hat Péter absichtlich nicht eingeladen. Oh, darauf könnte ich wetten! Er hat ihn nicht eingeladen, weil er draufgekommen ist, dass es zwischen uns beiden etwas gibt. Darum! Ist denn das so schlimm? Nein! Es gibt beliebig viele, die ihren Cousin geheiratet haben …« Und nun rechnete sie in langwierigen Einzelheiten an den Fingern all ihre Bekannten vor, die dies getan hatten, auch Leute aus Wien, da sie in der dortigen gesellschaftlichen Welt ebenso zu Hause war: »Da haben wir Mitz und die Trudel und Titi und Momo«, dann kamen die Fälle in Pest an die Reihe: »Die Marcsa und der Ili und die Marietta, sie ist aber nur eine Cousine zweiten Grades, und das ist bedeutungslos und wirklich absurd! Doch auch Péter ist kein Blutsverwandter, sondern angeheiratet, nicht wahr? Und dergleichen trifft sich auch schon darum gut, weil die beiden Partner einander bestens kennen.« Und jetzt, da sie die Liebe unter Verwandten abhandelte, trat sie wieder gehörig ins Fettnäpfchen, obwohl sich Kláras Gesicht immer schmerzlicher verzerrte. Doch Magda achtete auf gar nichts mehr, haspelnd reihte sie Wort an Wort, und zuletzt entfuhr ihr dies: »Schließlich warst auch du, Klára, sehr nahe dran …« Hier besann sie sich plötzlich und blieb im Redefluss stecken.
In ihrer Verlegenheit herrschte sie die kleine Lili an: »Sag doch auch etwas, sitz hier nicht so dämlich!«
»Ich … ich weiß nicht …«, stammelte das Mädchen und errötete von neuem. Sie errötete wegen ihrer eigenen Gedanken, die um Abády kreisten. Lili erinnerte sich, dass er sich, zusammen mit ihr an der Ecke, mit ihr, sooft sie auch anhielten, jedes Mal unterhalten hatte. Dass er mit ihr wie mit einer Erwachsenen sprach. Und dass seine rußig grauen Augen ein wenig schräg geschnitten sind und sein Blick freundlich ermunternd war. Und dass sein Schnurrbart heller ist als sein Haar. Ja, viel heller. Und auch am Nachmittag, als sie die Stuten besichtigten, unterhielt er sich mit ihr. Er sagte: »Ich sehe, Sie verstehen etwas von Pferden und haben sie auch gern, man merkt es daran, wie Sie sie streicheln.«
Ja, das hat er gesagt: »Man merkt es daran, wie Sie sie streicheln.« Und er erzählte, dass auch er irgendwo in Siebenbürgen ein Gestüt habe. Das hatte ihr wohlgetan, denn er sprach zu ihr nicht nur, wenn er es tun musste, sondern auch im Paddock, wo es gar nicht nötig gewesen wäre. Schließlich war dieser neue Bekannte ein gestandener Mann, sie aber beinahe noch ein Kind …
Unter dem Eindruck dieser Überlegung, und weil die Rede von verwandtschaftlichen Beziehungen war, wozu noch kam, dass Magda sie angefahren hatte, meinte sie nun, fragen zu dürfen: »In welchem Verwandtschaftsgrad steht ihr eigentlich zu Bálint Abády?«
»Cousin issu de germains – er ist unser Vetter zweiten Grades«, antwortete Magda.
»Wie bitte, wäre er demnach auch mein Vetter?«
»Keineswegs! … Er kommt nicht von der Szent-Györgyi-, sondern der Gyerőffy-Linie her. Die Mutter meiner Mutter, Kata Abády, war die Schwester Péter Abádys, des Großvaters von Bálint. Sie heiratete László Gyerőffy, meinen Großvater mütterlicherseits …«
Eine zornige Stimme unterbrach ihre Erklärung. Klára, zwischen ihren Kissen liegend, ließ sich vernehmen: »So geht doch bitte endlich
Weitere Kostenlose Bücher