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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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… ich bekomme Kopfweh von all dem Gerede …« Und als sich Magda beim Abschied anschickte, sie zu küssen, schob Klára sie von sich weg, vergrub den Kopf in den Kissen und drängte fortwährend: »Geht, geht schon … geht …«

    Nach dem Abschied im Salon schritten Slawata und Bálint zusammen durch den Korridor zu ihren Zimmern.
    »Dürfte ich für einige Minuten zu dir hineinkommen?«, fragte der Botschaftsrat, als sie bei Abádys Tür anlangten. Drinnen durchmaß Slawata wortlos das Zimmer. Platz bot sich dazu ausreichend, denn auch dieser Raum, jetzt mit einem Doppelfenster, war durch die Zusammenlegung von zwei Zellen entstanden. Slawata nahm seine dicke Brille ab und reinigte sie sorgfältig. Er machte den Eindruck eines Mannes, der sich zum letzten Mal überlegt, ob er sein Anliegen vortragen will oder nicht. Abády setzte sich und wartete.
    Slawata hob schließlich an. Für den Auftakt schlängelte er ein paar Komplimente hin. »Wir«, sagte er und meinte damit offensichtlich das Belvedere, nicht den Ballhausplatz, »beobachten ständig deine Tätigkeit. Wir halten sie für sehr richtig und verfolgen sie. Vorzüglich auch, dass du dich in keine aktuelle politische Auseinandersetzung verwickelt hast.« Es folgten noch zwei bis drei Komplimente über Abádys Fähigkeiten, und dann kam eine sehr betonte Erklärung: »Das, was ich jetzt sage und frage, das sage und frage ich einzig als Jan Slawata. Ich tue es nicht in einem Auftrag, sondern handle aus eigenem Antrieb, denn ich kenne deine Urteilskraft und Diskretion. Deine Antwort würde mir als Information dienen, sonst niemandem. Also ganz unter uns!« 49
    Nun hielt er inne, rückte auf der Nase den Steg seiner Brille zurecht und setzte dann an: »Was meinst du? Sollte die Monarchie in der heutigen Zeit mit einem ihrer Nachbarn in Kriegszustand geraten, was wäre dann der Standpunkt der Ungarn?«
    Die Frage überraschte Abády. Niemand glaubte damals, dass ein europäischer Krieg möglich wäre. Das begonnene Wettrüsten hielt man auf allen Seiten für eine Verteidigungsmaßnahme. Die Komplimente, die sein einstiger Diplomatenkollege soeben so großzügig über seinem Haupt ausgeschüttet hatte, machten Bálint vorsichtig. Darum wollte er zuerst einmal das Umfeld erkunden, bevor er antwortete:
    »In Kriegszustand? Du hast doch unten gerade gesagt, ihr hättet zusammen mit Iswolskij die mazedonischen Probleme in Ordnung gebracht.«
    »Das stimmt. Und Russland ist zurzeit gar nicht kampffähig. Was es an Material besaß, hat es in Ostasien verbraucht, und auch die revolutionären Bewegungen sind nicht zum Stillstand gekommen. Gerade deshalb stellt sich jetzt diese Frage.«
    »Welche? … Es herrscht vollkommener Friede. Wenn Russland als Gegner für geraume Zeit nicht in Betracht kommt, dann werden sich auch die Serben bestimmt still verhalten. Rumänien und Italien sind unsere Verbündeten. Welches ist also der Nachbar, von dem aus ein Angriff gegen uns ausgehen könnte?«
    Slawata begriff, dass Bálint nicht antworten würde, bevor er kein klareres Bild gewänne. Eine kurze Weile schien er noch zu zögern, dann schob er einen Stuhl heran, und nun, da er nahe beim anderen saß, begann er zu sprechen: »Die Lage ist die folgende: Der Stiftsherr sieht die Konsequenzen der englisch-russischen Einigung richtig. Kein Zweifel, Italien ist für uns verloren. Nach meinem Dafürhalten vielleicht auch Rumänien, weil es von seinen Sympathien eher in Richtung Sankt Petersburg gelenkt wird. Man muss also damit rechnen, dass in einigen Jahren, wenn das Russische Reich sich mit französischem Geld erneut bewaffnet hat, die Monarchie mit einer Koalition aus Russland, Serbien, Montenegro sowie Italien und möglicherweise aus Rumänien konfrontiert wird, denn sie alle wünschen sich ja irgendein Territorium, das uns gehört. Ein Kriegsgrund lässt sich auf dem Balkan jederzeit produzieren. Das bedeutet, dass zu dem Zeitpunkt 182 Millionen den 47 Millionen Einwohnern der Monarchie gegenüberstehen werden. Es liegt auf der Hand, dass wir dagegen nicht aufkommen könnten. Sollte aber Deutschland uns schützend beistehen, dann wird es von englisch-französischer Seite angegriffen werden, denn den Franzosen böte das eine glänzende Gelegenheit zur Revanche, ebenso wie den Engländern zur Vernichtung der deutschen Flotte und des deutschen Handels. Und das würde selbst für das Deutsche Reich ziemlich gefährlich, zumal wenn wir die gewaltige Macht und die bekannte Zähigkeit

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