Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
den beiden Eckfenstern vor den doppelt verglasten Paravents in einem Fauteuil, den ein Fußschemel noch verlängerte. Hier war es wärmer als vor dem Onyx-Cheminée, denn auch zwei Heißluftrohre ließen ihren kupfervergitterten Kehlen einen hitzigen Hauch entströmen. Rechts von der Gräfin hatte sich die schöne Fanny niedergelassen und etwas weiter beim Feuer Klára. Seine Tante wies Bálint den Lehnstuhl neben sich zu. Der merkwürdig geformte, ausladende Sessel schien ihn mit seiner Polsterung zu umfangen. Er befand sich gerade der jungen Klára gegenüber.
»Komm her, neben mich, lieber Bálint, erzähle mir von Siebenbürgen und den Leuten dort«, sprach Frau Szent-Györgyi, und mit ihrer langen, schmalen Hand ergriff sie die Linke des jungen Mannes und hielt ihn liebevoll in Gefangenschaft. Eine ganze Reihe von Fragen folgte: »Wie geht es deiner Mutter? Schon anderthalb Jahre ist es her, dass ich sie in Pest getroffen habe, als sie auf der Durchreise war. Ist sie im schönen Dénestornya? Ich war als kleines Mädchen oft dort bei Onkel Péter, deinem Großvater. Und wie geht es Tante Lizinka, ist sie immer noch so rührig? Und Frau Gyalakuthy, die gute Adelma, was tut sie? Man sagt, ihre Tochter sei hübsch. Und wie geht es Frau Laczók und ihrem Mann? Und Ambrus Kendy, der war einst mein Tänzer, und Sándor Kendy?«
Sie wusste von allen, kannte alle Verwandtschaften und Beziehungen, und während Bálint Antworten gab, wandte sie sich an Frau Berédy und an Klára und flocht kleine Geschichten ein, Erinnerungen an ihre Mädchenzeit, spaßige Begebenheiten, damit die beiden an dieser ihnen unbekannten Welt, an die sie offenkundig mit großer Liebe zurückdachte, auch teilhaben könnten. Dabei erwähnte sie oft Szamoskozárd, das einstige Heim der Gyerőffy-Mädchen.
Während er langsam antwortete oder den Erzählungen seiner Tante lauschte, irrten Abádys Augen oft zu Klára Kollonich hinüber. In einem mit Spitzenrüschen besetzten, an den Schultern wie ein Abendkleid tief ausgeschnittenen Schlafrock saß sie neben dem Cheminée, und wie der Stoff mit den vielen Krausen und Bändern ihren Leib entlang wallte, war ihr die fortgeschrittene Schwangerschaft kaum anzumerken. Mit ihren entblößten, ein wenig hängenden, wunderbaren Schultern, den meerfarbenen Augen und dem blonden, gekrausten Haar wirkte sie gleich bezaubernd wie als Mädchen vor der Ehe. Eher nur eine Müdigkeit, die sich ahnen, aber nicht bemerken ließ, verriet ihren Zustand. Und vielleicht kündete auch eine kleine Falte um ihren Mundwinkel von Müdigkeit oder womöglich von Enttäuschung. Bálint sagte sich, während er immer wieder einen heimlichen Blick auf sie warf: Das ist die Frau, um derentwillen sich László Gyerőffy zugrunde gerichtet hat. Ihretwegen hat er seine Berufung, die Musik, verlassen, seine Studien abgebrochen, obwohl seine Lehrer ihm eine große Zukunft vorausgesagt hatten, für sie hat er sich in das mondäne Leben gestürzt, das ihn dann in den Strudel des Kartenspiels riss, und ihretwegen ist er nicht nur zur Unperson geworden in jener Welt, die er doch ihr zuliebe gesucht hatte, sondern auch materiell und seelisch untergegangen. Und wie er nun Klára musterte, entsann er sich der Zeit drei Jahre zuvor, als er, Bálint, bei den Kollonichs in Simonvásár Lászlós fatale Liebe entdeckt hatte. Er hatte damals für einen Augenblick die Zukunft erschaut und begriffen, dass sein Vetter ins Verderben rannte. Beinahe wie eine Vision erschien nun Lászlós Gesicht vor seinem Geist, dieses unbändig leidenschaftliche Gesicht.
Vielleicht weil er nun auf die ohnehin verlangsamten Fragen seiner Tante ein wenig zerstreut antwortete, vielleicht auch aus anderen Gründen, die Konversation stockte jedenfalls, und während einiger Augenblicke breitete sich im Zimmer Schweigen aus, als strebten die Gedanken aller einem bisher unausgesprochen gebliebenen Namen zu. Gräfin Élize drückte jetzt plötzlich die gefangen gehaltene Hand ihres Neffen. Sie drehte sich ihm näher zu. »Was ist mit Laci?«, fragte sie, und ihre Stimme klang tiefer, sie war beinahe gerührt.
Bálint war nicht überrascht. Ihm schien schon lange, dass die Erinnerung an László um die Anwesenden schwebte, als warte sie darauf, Ausdruck zu finden, als denke jedermann stumm an ihn, als müsse sie die immer engeren Kreise der Fragen endlich sprengen. Dennoch antwortete er langsam und zögernd. Vor Klára und Frau Berédy sprach er ungern. »Der arme László,
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