Versehentlich verliebt (German Edition)
trinken. Ich bin also mal wieder der Pausenclown. Aber diesmal stolpere ich nicht über eine Stufe, lasse nicht meinen ganzen Einkauf auf der Treppe fallen. Nein, ich bin witzig. Bin ich witzig? Oder hat Lukas nur einen sehr merkwürdigen Humor, der meinem erschreckend ähnlich zu sein scheint. Daran könnte ich mich gewöhnen.
„Als ich dich vorhin gesehen habe, da schienst du irgendwie anders. Hätte ich gewusst, dass du meine Hilfe gar nicht brauchst hätte ich mir natürlich ein anderes Opfer gesucht.“
„Ja, das war alles nur mein raffinierter Plan. Das unschuldige, ungeschickte Mädchen auf der Suche nach einer breiten Schulter zum Anlehnen. Aber ich vergaß, da bist du ja der Falsche.“
„Bin ich?“
Blitzt da ein bisschen Enttäuschung in seinem Blick? Er setzt sich die Brille wieder auf und sieht mich genau an. Tatsächlich, er wirkt ein kleines bisschen enttäuscht. Verkraftet das sein Ego nicht?
„Deine lädierte Schulter ist reichlich ungeeignet zum Anlehnen.“
„Die Sportverletzung!“
Er klingt fast etwas erleichtert. Ich könnte Gefallen an dieser Art der Unterhaltung finden. Ich glaube im Sprachgebrauch nennt man es Flirt. Aber da ich nie flirte und es nicht beherrsche, nenne ich es mal: Gespräch.
„Richtig. Der Grund, wieso ich deinen Wagen nicht bekommen kann. Stattdessen hast du erst mal meinen jämmerlichen Weg durch diesen Flughafen verfolgt. Was hat dann dein Mitleid geweckt?“
„Erstens, das mit der Schulterverletzung stimmt tatsächlich. Beim Fußball blöd hingefallen. Und das war kein Mitleid.“
„Was war es denn dann?“
Er zuckt die Schultern und sieht wieder weg. Ich bekomme auf die Frage keine Antwort, nur ein Achselzucken. Aber vielleicht will ich die Antwort auch gar nicht hören.
„Also Pippa, was machst du beruflich?“
Er wechselt das Thema und ich bin mehr als dankbar, denn wenn er nichts gesagt hätte, dann hätte ich ihn einfach angesehen. Es ist absurd, weil er nicht wirklich mein Typ ist und weil ich ihn nicht mögen will. Aber es ist Weihnachten – und wer will schon an Weihnachten alleine und ohne Freunde dastehen? Vielleicht ist das ja so wie im Krieg, wenn man sich an bestimmten Feiertagen auf eine Waffenruhe einigt. Ich will nur nicht alleine sein und Lukas ist nun mal der Einzige, der da ist.
„Ich bin Redakteurin. Für Reiseführer.“
„Wow! Dann kommst du bestimmt total viel rum.“
Irrtum. Aber so reagiert jeder. Wenn er wüßte, dass ich Deutschland bisher nur für den Schulausflug nach London verlassen habe, würde er mich auslachen. Ich werde zwar von all meinen Freunden als Telefonjoker bei Günther Jauchs Wer wird Millionär für die Reisefragen genannt, aber ich bin keine besonders gute Reisende. Beweisstück A liegt wie ein erschossener Hund zu meinen Füßen: meine Reisetasche. Wäre ich Profi, dann wäre ich auch in der Lage, eine Tasche so zu packen, dass sie nicht an Übergewicht verendet.
„Nein, ich korrigiere nur die Texte. Passe sie an die Formatvorgaben an. Solche Dinge. Ich besuche nicht die Orte.“
Jetzt wirkt er enttäuscht, und diese Reaktion kenne ich zur Genüge. Alle denken mein Job wäre super cool. Bis sie erfahren, wie uncool mein Job wirklich ist. Und dann sehen sie alle so aus wie Lukas.
„Aber wäre es nicht besser, wenn sie dich dahinschicken, damit du weißt, wovon ein bestimmter Autor spricht?“
„Natürlich wäre es besser. Aber auch viel zu teuer. Wer zahlt schon dafür, dass ich einmal um die Welt fliege?“
Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass meine Firma eine recht kleine GmbH ist, die ganz sicher kein Geld für große Auslandsreisen der Mitarbeiter auf der hohen Kante liegen hat.
„Würdest du nicht gerne mal da- und dorthin?“
Ich wünsche mir manchmal, bei einem Thema bleiben zu können; aber während andere in einer Unterhaltung einem roten Faden folgen können, lasse ich mich von den vielen Gedanken in meinem Kopf ablenken. So wie jetzt. Lukas spricht weiter und meine Gedanken tun das, was ich nicht kann: reisen. Ich denke an den letzten Band, den ich gerade redigiert habe. Südafrika. Mensch, wie aufregend es sein muss in einer dieser 4-Sterne-Lodges zu nächtigen und die Löwen an einem Wasserloch zu beobachten. Oder der Band davor: Australien! Sydney und die vielen Surfschulen, die auch mäßigen Schwimmern wie mir das Glücksgefühl auf dem Brett beibringen könnten. Zumindest behauptet das unser Reiseführer.
„Hallo?“
Lukas wedelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht
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