Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
Medusa.
Eine Zeit lang saß ich wie erstarrt da, rauchte meine schal schmeckenden Zigaretten, blickte ins Feuer und dachte über das Ende meiner Spezies nach. Denn das kam auf uns zu, ich konnte es nicht mehr leugnen. Der Krieg hatte die Menschheit merklich ausgedünnt und das, was von ihr noch übrig war, geschwächt. Aber Ebola X würde uns jetzt den Rest geben, würde die Spezies Mensch auslöschen. Und unser Mörder war nicht irgendeine blindwütige Mikrobe, sondern ein auf grauenhafte Weise mutiertes Virus, das sich weiterentwickelt hatte, genau wusste, was es tat, und sich ein Vergnügen daraus machte.
Ohne zweimal darüber nachzudenken, platzte ich schließlich mit allem heraus, erzählte Price von meinen Träumen und von der Medusa. Beschrieb ihm, wie sie aussah, sagte ihm, für was ich sie hielt, teilte ihm mit, dass sie derzeit von Osten nach Westen zog und Leichen ihren Weg pflasterten.
»Nicht zu fassen«, murmelte er. »Und du nimmst an, dass das Schattengebilde dich von der Medusa wegführen will? Zu irgendeinem unbekannten Bestimmungsort?«
»Ja, es will unbedingt, dass wir nach Nebraska weiterziehen.« Ich schüttelte den Kopf. »Aber warum Nebraska? Wieso nicht South Dakota, Wyoming oder Montana? Ich weiß es nicht.«
»Na ja, es könnte wohl einen Grund geben. Den Creek. «
»Den Creek? «
»Ja, genauer gesagt Bitter Creek, das ist ein Ort in Nebraska. Dort war eine militärische Sicherheitseinrichtung der Stufe 4 untergebracht, die wir in Detrick nur als Creek bezeichneten. Es war eine Forschungseinrichtung, die sich mit der höchsten Biogefahrenklasse befasste und zugleich der Lagerung von biologischen Gefahrenstoffen diente. Alle flüsterten nur, wenn Creek erwähnt wurde.«
Mir lief ein Schauer über den Rücken. »Und was ... lagert dort?«
»Biowaffen. Jeder hässliche Bazillus, den wir genetisch verändert haben, befindet sich an diesem Ort – jedenfalls erzählte man sich das bei uns in Detrick. In den Welten der Virologie und Mikrobiologie hatte Creek einen ähnlichen Ruf wie Area 51, das militärische Sperrgebiet in Nevada.«
Bitter Creek, das passte.
Dem Schattengebilde hatte das sicher gefallen. Das war’s dann also. Das Ende war in Sicht. Wir würden nach Bitter Creek fahren. Ich der Leithammel, dem die anderen folgen würden. Mitten ins Herz der Dunkelheit, direkt ins finstere Tal, wie es in der Bibel so schön heißt.
Direkt in die Hölle.
BITTER CREEK, NEBRASKA
1
Als wir die Staatsgrenze zu Nebraska überquert hatten, gerieten wir in einen Sturm. Das Unwetter begann mit Regen, Hagel und heftigen Böen, die den Jeep fast von der Straße gefegt hätten. Doch bald schon trafen uns nicht nur Regentropfen oder Hagelkörner in der Größe von Golfbällen, sondern alle möglichen Trümmer. Beim Auffrischen hatte der Wind alles aufgesammelt, was nicht niet- und nagelfest war, und als er sich zum Wirbelsturm entwickelte, beschoss er uns mit allen möglichen Objekten, sodass der Jeep bebte, wackelte und ins Schlingern geriet. Es war so, als müssten wir mitten durch Artilleriefeuer fahren.
Wenn das unsere Begrüßung im Cornhusker State sein sollte, so war es keine besonders freundliche. Vermutlich hätte mein alter Kumpel Specs diese Art von Willkommen ein böses Omen genannt.
Carl lenkte den Jeep von der Interstate 80 hinunter und danach quer durch landwirtschaftliches Gebiet. Schließlich hielten wir vor einer riesigen Scheune an, die mir so lang wie ein Fußballfeld vorkam. Beim Aussteigen schützten wir unsere Köpfe vor dem Beschuss von oben und huschten sofort ins Trockene, froh, diesen Unterschlupf gefunden zu haben.
Mitten durch die Scheune führte ein betonierter Gang; rechts und links davon lagen Boxen für das Vieh, alle mit jeder Menge Heu gefüllt. Früher mussten sie hier viele Rinder gehalten haben.
Carl, Mickey und ich beobachteten von der Tür aus den Sturm, der uns ein eindrucksvolles Spektakel bot. Immer noch regnete es, doch hin und wieder ging auch ein Trommelfeuer von Hagel auf die Erde nieder. Den tiefschwarzen Himmel säumten strahlend rote und indigoblaue Streifen, die wie Nordlichter schimmerten und sich ständig auszudehnen schienen. In der Ferne tauchten Blitze die ländliche Gegend in grelles Licht; diese Blitze flackerten so plötzlich auf und bildeten so seltsame Lichtbogen, dass ich an einen Luftangriff denken musste. Die Donnerschläge ließen die Scheune erzittern.
»Das verdammte Gewitter hat den Jeep schwer gebeutelt«, sagte Carl.
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