Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
wachzurütteln. »Specs, Specs, hör um Himmels willen damit auf!«, sagte ich jedes Mal.
Und jedes Mal blinzelte er nur kurz, mit vor Schweiß glänzendem Gesicht. Das Ende unserer Welt hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen – wen auch nicht?
Als wir beide eines Abends zusammensaßen und rauchten, sagte er: »Weißt du was, Nash? Ich glaube an Vorzeichen und Vorahnungen. Meiner Meinung nach ist die Geschichte der Zukunft bereits geschrieben; man muss nur herausfinden, wie man sie richtig liest.«
»Willst du mich verarschen?«
»Nein wirklich, Nash, das ist mein voller Ernst.«
Ich blies Rauch aus. »Was würde das denn schon ändern, Specs? Die Zukunft sieht verdammt schwarz aus. Besser, man weiß nicht, was auf einen zukommt.«
»Ich würd’s aber gern wissen. Wenn man die Vorzeichen richtig deutet, kann das einen am Leben halten und dafür sorgen, dass einem nichts zustößt. Hätte ich Tarotkarten, könnte ich dir deinen Lebenspfad zeigen. All das, was geschehen wird.«
»Ich will ja gar nicht wissen, was geschehen wird.«
Doch Specs wollte mit all diesem hirnrissigen New-Age-Geschwafel einfach nicht aufhören.
Egal, wie man solche Spekulationen nannte: Für mich klang all das nach der Wahrsagerei von Zigeunern auf einem Rummelplatz. Aber Specs stand auf so was und wollte nicht aufhören, in allen Einzelheiten davon zu erzählen – von der Macht der Pyramiden bis zur Energie von Kristallen.
Nachdem er fast 20 Minuten darüber geschwallt hatte, fuhr Paulson dazwischen. »Warum nehmt ihr Mädels euch nicht ein eigenes Zimmer? Ich versuch hier zu schlafen, verdammt noch mal!«
Aber Specs war immer noch in Fahrt. »Hör doch nur mal zu, Nash ...«
»Schlaf jetzt endlich.« Ich schloss die Augen und dachte über an all dieses verrückte Zeug. Und an meine Frau. In dieser Nacht hatte auch ich Albträume. Ich träumte, dass Ratten an Shelly nagten.
13
Zum Showdown – gewissermaßen zum »Endspiel« – kam es knapp drei Tage später.
Wie üblich drehten wir unsere Runden und sammelten die Toten ein, da bekam Weeks über Funk die Nachricht, dass zahlreiche Leichen den Parkplatz vor dem Einkaufszentrum Southern Park verschmutzten, und das könne man nicht zulassen.
In einer von nicht bestatteten Leichen überschwemmten Stadt verlangten die wenigen noch arbeitenden Behörden von uns, diesen gottverdammten Parkplatz zu säubern. Schließlich war den vielen netten Touristen, die im Einkaufszentrum das Bekleidungsgeschäft American Eagle und den Dessousladen Victoria’s Secret besuchen oder einen Schnellkurs im Herstellen von Teddybären mitmachen wollten, ein solcher Anblick wirklich nicht zuzumuten, denn was würden sie dann denken?
Für diese Behörden in ihrem Wolkenkuckucksheim spielte es offenbar überhaupt keine Rolle, dass das Einkaufszentrum mittlerweile in Schutt und Asche lag und die Besucher, die jetzt noch kamen, entweder wahnsinnig oder von der Strahlenkrankheit gezeichnet waren.
Vor Sears lag ein Leichenberg, der so ähnlich aussah wie derjenige, den ich vor dem 7-Eleven entdeckt hatte. Eine einzige stinkende hässliche Masse. Als wir mit dem Lastwagen vorfuhren, konnten wir schon die Fliegen summen hören. Vor uns stoben Schwärme von Möwen und Krähen auf. Wir Leichensammler sprangen von den Lastwagen ab, schauten einander an und schüttelten nur den Kopf. Es stank hier so penetrant, dass es selbst Maden vom Fleischverzehr hätte abschrecken können. Der Berg umfasste sicher einige Hundert Leichen, umschwärmt von zahllosen Fliegen. Und auch die Leichenfledderer hatten sich bereits darüber hergemacht, denn in allen Richtungen lagen einzelne Körperteile.
»Okay, Arschloch«, sagte Weeks zu mir. »Nimm den Schwachkopf mit und wate ins Tote Meer. Wird hier in zehn Minuten auch nicht besser riechen.«
»Das ist doch absurd«, wandte Specs ein. »Die sind alle nur noch Matsch ... Wir brauchen Schaufeln.«
»Halt die Klappe, du blödes Muttersöhnchen. Los, macht schon. Und du auch, Mister Nichtsnutz. Einladen! Sofort!«
Da wir uns nach Meinung von Weeks nicht schnell genug in Gang setzten, feuerte einer der Soldaten ein paar Schüsse über unsere Köpfe. Doch wir ließen uns davon nicht beeindrucken und nahmen uns jede Menge Zeit. Nachdem wir den Umkreis des Leichenbergs erreicht und all diese zerfallenden leeren Hüllen, die von Vögeln zerhackten Gesichter und die hinunterbaumelnden Gliedmaßen gemustert hatten, sahen mich meine drei Kollegen, wie so oft in letzter Zeit, fragend
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