Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
werden wir zu viel Strahlung aufnehmen und bald darauf mit Tumoren übersät sein. Unausweichlich.
Carl erlöste mich von solchen Gedanken, indem er nach meinem Arm griff. »Wir sollten sofort abhauen!« Er hielt den heftig knisternden Geigerzähler hoch. »Höchste Zeit!«
Durch die Hintertür folgte ich ihm nach draußen, in die alles verzehrende nächtliche Dunkelheit. Und zu all dem Unbekannten, das da draußen lauern mochte.
2
Die Kinder.
Wer waren sie? Genauer ausgedrückt: Was waren sie?
Niemand, mit dem ich je darüber gesprochen hatte, hatte eine schlüssige Antwort parat. Jedenfalls hatte die Verstrahlung, die Hunderttausende, ja Millionen von Erwachsenen dahingerafft hatte, bei Kindern eine völlig andere Wirkung gehabt. Und nicht nur bei einzelnen Kindern, sondern bei allen unter zehn Jahren. Und nur bei diesen. Möglich, dass sie mit dem Einsetzen der Pubertät aus biochemischen Gründen die Fähigkeit zur Umwandlung verloren. Doch alle unter zehn Jahren waren derselben Art von Mutation unterworfen. Die eigenen Kinder und die Nachbarskinder. Die niedlichen kleinen Mädchen, die sich im Garten so gern zu Prinzessinnen herausputzten, genau wie die wilden kleinen Jungen, die sich als künftige Baseball-Stars sahen ... Sie alle verloren jeden menschlichen Zug.
Verwandelten sich in Monster.
Die Strahlung hatte sie im Griff, machte geistesgestörte Nachtwandler aus ihnen, verlieh ihnen gelb leuchtende Augen und Finger, die jeden Menschen, den sie packten, zu Asche verbrannten. Wie Wölfe oder Vampire jagten sie bei Nacht und in Rudeln und töteten alles, was ihnen über den Weg lief.
Aus irgendeinem Grund und auf irgendeine Weise – vielleicht, weil sie noch so jung und im Wachstum waren – absorbierten ihre Zellen den Fallout, verleibten ihn sich als Teil ihres natürlichen Organismus ein. Niemand wusste wirklich darüber Bescheid, und die meisten Leute wollten es auch gar nicht wissen, weil es ihnen entsetzliche Angst machte.
Manche der überlebenden Erwachsenen hielten die Kinder für Gespenster oder leichenfressende Dämone – für übernatürliche Wesen, die nachts aus ihren Löchern krochen, um sich Nahrung zu besorgen. Natürlich war das Unsinn, aber solche Ideen konnte man keinem verdenken. Schließlich war ja kaum etwas Unheimlicheres vorstellbar als diese Kinder. Und in dieser neuen, gespenstischen Welt war der radioaktive Niederschlag Teil des Alltags. Man musste damit leben und lernen, damit umzugehen. Musste sich darin üben, Gefahrenzonen rechtzeitig zu erkennen und sie zu meiden.
Doch die Kinder machten das schwer.
Im Grunde bestanden sie ja nur aus Fallout, aus hinterhältigem, bösartigem Fallout. Aus Fallout, der nach Opfern jagte. Ich nahm an, dass sie aus bestimmten Gründen auf die Jagd gingen oder gehen mussten. Vielleicht verleibten sie sich von Menschen irgendetwas ein, was sie dringend brauchten. Schwer zu sagen, was das sein konnte, aber offenbar benötigten sie irgendetwas für ihre Art von Existenz. Mir war klar, dass diese Kinder keine übernatürlichen Wesen sein konnten, auch wenn sie sich manchmal wie solche verhielten und tatsächlich erst bei Nacht in Erscheinung traten. In unserem Sinne waren sie keine Wesen aus Fleisch und Blut, dennoch besaßen sie etwas Ähnliches, nur war es völlig anders als bei Menschen. Irgendetwas Fremdartiges bestimmte ihre Körper – bis hin zu den glühend heißen subatomaren Teilchen.
Trotzdem waren sie sterblich und man konnte sie töten.
Wenn man ihnen eine Kugel verpasste, verglühten sie so wie ein Atomreaktor. Vermutlich hätte man dieselbe Wirkung auch mit einem Speer erzielen können, der sie durchbohrte, aber wenn man so nahe an sie heranging, würde man verschmoren. Deshalb waren Kugeln die beste Waffe gegen diese Kinder.
Selbstverständlich war es das Klügste, ihnen aus dem Weg zu gehen, nachts die Straßen zu meiden und sich vor ihnen zu verbergen. Ich hatte keine Ahnung, wo sie beim ersten Tageslicht Unterschlupf suchten, und wollte es, ehrlich gesagt, auch gar nicht wissen. Im Hinterkopf spukte mir ständig die Vorstellung herum, dass sie sich wie Untote in irgendeinem Reaktorkern ausstreckten. Doch niemand wusste Genaues.
Mittlerweile hatte jeder Angst vor Kindern, weil alle Kinder mutierten . Allerdings ging das Gerücht, dass sie jetzt schon als mutierte Geschöpfe auf die Welt kamen. Es gab Banden, die, um die Geburt weiterer Mutanten zu verhindern, schwangere Frauen auf der Stelle umbrachten, wenn sie ihnen
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