Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
aufgeplatzten Lippe und dem Veilchen an einem Auge.
Einen Moment lang verschlug es uns die Sprache. Schließlich ging ich zu ihm hinüber. »Wo zum Teufel bist du gewesen?«
Gremlin bedachte mich mit einem Lächeln, das geradezu unheimlich wirkte. »Das ist ja mal ein netter Empfang«, sagte er. »Hab mich versteckt. Heute Nacht ist hier irgendein Ungeheuer eingedrungen, deshalb hab ich mich in einem alten Kohlenverschlag im Keller versteckt.«
So seltsam das sein mochte: Ich glaubte ihm kein Wort. Seine Augen wirkten glasig, fast so, als stünde er unter Schock. Und dieses unheimliche, dämliche Grinsen ... Als wollte er sagen: Ich weiß was, was ihr nicht wisst, oh ja!
»Wir dachten schon, du wärst tot«, sagte Carl. »Aber da haben wir wohl Pech gehabt.«
»Hast du gesehen, wer oder was das hier getan hat?«, fragte ich ihn.
»Nein, hab’s zwar gehört, bin aber nicht nahe genug herangegangen, um es zu sehen. Das verdammte Ding hat hier herumgeschnüffelt ... Ich glaube, es hat nach mir gesucht.«
Janie, normalerweise das personifizierte Mitgefühl, sagte kein Wort. Nach und nach verfestigte sich in mir das ungute Gefühl, ohne dass ich es genauer fassen konnte. Vielleicht nahmen auch die anderen Gremlin seine Geschichte nicht ab, allerdings zeigten sie es nicht offen. Mit Ausnahme von Texas Slim.
Mit gezückter Eagle stand er da und musterte die Zerstörung ringsum. Ich beobachtete ihn sehr genau, denn ich wusste zwei Dinge über ihn: Erstens war er völlig verrückt, zweitens hatte er einen sehr guten Kopf auf den Schultern sitzen. Also sah ich zu, wie er alle Informationen in seinem Gehirn verarbeitete, und wartete auf das Ergebnis. Immer noch hatte er die Waffe in der Hand. Und jetzt runzelte er die Stirn, wie er es immer tat, wenn er ein schwieriges Problem im Kopf wälzte. Langsam wandte er den Blick Gremlin zu. Und ließ ihn auf ihm ruhen.
Es dauerte nicht lange, bis sich Gremlin unter diesem Blick wand. »Was zum Teufel ist los?«, fragte er. »Was glotzt du mich so an, verdammt noch mal?«
Texas Slim zuckte die Achseln. »Wundere mich wohl nur über gewisse Dinge.«
»Ach ja? Über was denn?«
»Zum Beispiel darüber, dass du letzte Nacht hier unten warst und trotzdem nicht gesehen hast, was hier gewütet hat. Kommt mir einfach ein bisschen seltsam vor.«
Gremlin sah mich so an, als erwartete er Unterstützung von mir, aber ich warf ihm nur einen kühlen, ausdruckslosen Blick zu. »Ich hab’s gehört, genau wie ihr«, erklärte Gremlin. »Aber dann hab ich mich versteckt. Glaubst du etwa, ich hätte mich mit diesem heulenden Ungeheuer anlegen wollen, während es das Foyer auseinandernahm?«
»Du warst doch bewaffnet, oder nicht? Hattest einen .357-Magnum-Revolver dabei. Wieso hast du nicht versucht, unseren Besucher abzuknallen?«
Wie die anderen war ich gespannt auf Gremlins Antwort. Texas Slim verhörte Gremlin regelrecht, aber jemand musste das tun. Irgendetwas war faul an seiner Geschichte, so faul, dass es zum Himmel stank.
»Was soll das? Was willst du damit andeuten?«
»Tja«, warf Carl schließlich ein. »Auf was willst du eigentlich hinaus, verdammt noch mal?«
Texas zuckte nur die Achseln, wie es typisch für ihn war, lächelte leicht und beließ es dabei. Er hatte erreicht, was er hatte erreichen wollen, und das war ihm klar. Er hatte Zweifel an Gremlins Geschichte gesät, und diese Zweifel waren so gut begründet, dass sie sich selbst in Carls sturem Schädel festsetzen würden.
Bald danach brachte ich alle auf Trab und sorgte dafür, dass sie sich ihre Beutel und Rucksäcke schnappten, damit wir weiterziehen konnten. Schließlich herrschte nur für begrenzte Zeit Tageslicht, und ich wollte keine Sekunde davon vergeuden.
14
Am späten Nachmittag hatten wir noch immer kein Fahrzeug aufgetrieben.
Stundenlang streiften wir umher, dehnten unseren Suchradius nach Westen hin sogar bis zum Tri-City-Einkaufszentrum an der 5th Avenue aus, doch dort begann der Geigerzähler zu piepsen, weil wir zu nahe an Chicago geraten waren. Also kehrten wir zur Stadtmitte zurück, zogen bis nach Glen Park, durchsuchten die Gegend rund um den Golfplatz Gleason Park und die Parkplätze der Universität nach fahrtüchtigen Wagen – ohne jeden Erfolg. Also kehrten wir wieder zur Innenstadt zurück und hielten in den Parkhäusern am alten Bahnhof Union Station nach einem fahrbaren Untersatz Ausschau. Doch so gut wie allen Autos fehlten entweder die Räder oder sie waren sogar völlig demoliert.
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