Versprechen eines Sommers
Augenblick, den er in ihrer Gegenwart verbrachte, kamen weitere Erinnerungen zurück. Inzwischen musste er nur noch seine Augen schließen und sich entspannen, um wieder zurück im damaligen Camp Kioga zu sein, als das Leben noch einfach war und alles möglich schien.
„Macht er in der Schule irgendwelchen Sport?“, unterbrach Olivia seine Gedanken.
„Ich glaube, er macht Turmspringen.“
„Das passt, wo er doch die Höhe so liebt. Er ist ein interessanter Junge. Ich bin froh, dass er den Sommer über hier ist.“ Sie lächelte und sah dabei immer noch sehr nervös aus.
„Du bist froh?“
„Klar. Ich mag Kinder. Vor allem Teenager, selbst mit ihren ganzen Ängsten und Traumata.“ Sie seufzte und schaute aus dem Fenster. „Vielleicht kommt das daher, weil ich mich so gut an diese Zeit erinnern kann. Daran, wie roh sich die Gefühle anfühlen, wie groß und wichtig alle Entscheidungen zu sein scheinen. Und wie niemand in der Welt einen versteht.“
„Und trotzdem hast du es überlebt.“
„Ja, das habe ich.“
„Was ist aus deinem Wunsch geworden, Lehrerin zu werden?“
Olivia zuckte mit den Schultern. „Ich habe mich in den vier Jahren am College sehr verändert. Anfangs wollte ich wirklich gerne an einer Highschool unterrichten. Ich wollte an die Schule zurückkehren und alles richtig machen. Das war meine Chance, aus dieser Zeit etwas Positives zu machen, beliebt zu sein.“ Sie lächelte sanft. „Doch während des Colleges brauchte ich das nicht mehr. Ich musste die Vergangenheit nicht neu schreiben.“
Er beobachtete ihren Mund, während sie sprach. Bei dem Wort „neu“ spitzten sich ihre Lippen, als wenn sie ihn gleich küssen wollte.
Wunschträume, sagte er sich. Sie hatte es ja selbst gesagt. Sie musste die Vergangenheit nicht neu schreiben.
„Und du wolltest Trainer werden“, erinnerte sie ihn.
„Du hast ein gutes Gedächtnis.“ Seine Gründe unterschieden sich allerdings grundlegend von Lollys. Schulen – und vor allem die Sportmannschaften – waren der einzige Ort, an dem er sich erfolgreich, akzeptiert und sicher fühlte. Trainer zu sein würde ihn für alle Zeiten zu einem Teil dieser Welt machen. Er wusste, warum er seinen Traum aufgegeben hatte, aber er war noch nicht bereit, mit Olivia darüber zu sprechen.
Er lenkte den Wagen zurück auf die Straße und fuhr in Richtung Indian Wells, das ein paar Meilen nördlich der Stadt lag. Hier lebte sein Vater in einer Seniorengemeinschaft. Terry Davis war nicht krank, und er war noch nicht einmal sehr alt, aber er schien sein Leben dort zu genießen. Er mochte die fürsorglichen Frauen, die in dem Haus das Sagen hatten, und als ehemaliger Alkoholiker mochte er auch die Zwölf-Schritte-Treffen, die jeden Tag stattfanden.
Olivia war wieder in Schweigen verfallen.
„Ist es in Ordnung für dich, wenn wir heute meinen Dad besuchen?“, fragte Connor.
„Sicher. Natürlich. Als du mir erzählt hast, dass er immer noch … hier lebt, war ich überrascht. Du hast ihn nie erwähnt.“
„Du hast nie nach ihm gefragt.“
„Ich weiß. Das tut mir leid. Ich meine, ich freue mich …“ Sie war durcheinander. „Ich habe mich nicht nach deinem Vater erkundigt, weil ich Angst hatte, dass ihm etwas Schlimmes zugestoßen ist. Ich wollte dich durch mein Nachfragen nicht traurig machen.“ Sie legte eine Pause ein. „Ich bin so ein Angsthase. Ich konnte noch nie gut mit der Traurigkeit anderer Menschen umgehen.“
Vielleicht spielte das in ihren drei geplatzten Verlobungen auch eine Rolle, dachte Connor. Er wollte keine Einzelheiten wissen, aber er nahm an, wenn man mit den Problemen eines anderen Menschen nicht umgehen konnte, kam man in einer Beziehung nicht sonderlich weit.
Er bog auf den Parkplatz ab. „Nur zu deiner Beruhigung, ihm geht es gut.“ Connor verspürte mehr als nur einen Anflug von Stolz und Erleichterung. Er wünschte sich, sein Vater hätte sich mit dem Entzug nicht so viel Zeit gelassen, aber es hatte keinen Zweck, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Tatsache war, dass die Probleme seiner Eltern ihn seiner Kindheit beraubt hatten, aber darüber zu brüten war sinnlos. Sein Vater erholte sich. Seine Mutter leugnete alles. Es könnte schlimmer sein.
„In letzter Zeit geht es ihm sogar richtig gut“, sagte Connor. „Er beschäftigt sich und geht zu den Treffen und wünscht, er hätte Enkelkinder, aber ich schätze, auf dem Gebiet war ich bisher eine Enttäuschung für ihn.“
Ups, dachte Connor, zu viele
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