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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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einschätzt?«
    »Na, das hoffe ich nicht. Ich hätte es am nächsten Tag für mehr, als ich selbst bezahlt habe, wiederverkaufen können; aber mit der Kaufsumme hätte ich großes Pech haben können, denn die Aktien standen zu der Zeit so niedrig, daß ich mit großem Verlust hätte verkaufen müssen, wenn ich nicht zufällig die notwendige Summe auf meiner Bank gehabt hätte.«
    Elinor konnte nur lächeln.
    »Auch hatten wir am Anfang, als wir nach Norland kamen, große, unumgängliche Ausgaben. Unser verehrter Vater, wie du wohl weißt, vermachte das ganze bewegliche Eigentum von Stanhill, das in Norland verblieb (und das war außerordentlich wertvoll), eurer Mutter. Es sei fern von mir, darüber zu klagen, daß er das getan hat; es war sein unzweifelhaftes Recht, über sein Eigentum zu verfügen, wie es ihm beliebte. Aber als Folge davon waren wir genötigt, große Mengen Wäsche, Geschirr und dergleichen zu kaufen, um das Haus mit dem auszustatten, was ihm fortgenommen wurde. Du kannst dir vorstellen, wie weit wir nach allen diesen Ausgaben davon entfernt sein müssen, reich zu sein, und wie willkommen Mrs.   Ferrars Gefälligkeit ist.«
    »Gewiß«, sagte Elinor, »und mit Hilfe ihrer Freigebigkeit, hoffe ich, werdet ihr doch einmal recht gut leben können.«
    »Ein oder zwei Jahre können viel bewirken«, erwiderte er ernst; »aber da ist noch immer sehr viel zu tun. Es liegt noch kein Stein für Fannys Gewächshaus, und der Plan für den Blumengarten existiert bisher lediglich auf dem Papier.«
    »Wo soll denn das Gewächshaus stehen?«
    »Auf dem Hügel hinter dem Haus. Die alten Walnußbäume sind alle gefällt worden, um Platz dafür zu schaffen. Es wird von vielen Teilen des Parks einen sehr schönen Anblick bieten, und der Blumengarten wird sich direkt davor herabsenken, er wird überaus hübsch werden. Wir haben die ganzen alten Dornensträucher beseitigt, die stellenweise am Rand wuchsen.«
    Elinor behielt ihren Verdruß und ihre Kritik für sich und |247| war sehr dankbar, daß Marianne nicht dabei war, um diesen Ärger mit ihr zu teilen.
    Nachdem er nun genug gesagt hatte, um seine Armut deutlich zu machen, und sich der Notwendigkeit entledigt hatte, bei seinem nächsten Besuch von Gray’s jeder seiner Schwestern ein Paar Ohrringe zu kaufen, nahmen seine Gedanken eine heiterere Wendung, und er gratulierte Elinor zu einer solchen Freundin wie Mrs.   Jennings.
    »Sie scheint in der Tat eine unschätzbare Frau zu sein. Ihr Haus, ihr Lebensstil, alles spricht von einem enorm guten Einkommen; und das ist eine Bekanntschaft, die nicht nur bisher von großem Nutzen für euch war, sondern die sich schließlich auch später als überaus vorteilhaft erweisen kann. Daß sie euch eingeladen hat, mit in die Stadt zu kommen, ist gewiß eine riesengroße Gefälligkeit euch gegenüber; und alles in allem verrät dies eine so große Freundschaft für euch, daß ihr aller Wahrscheinlichkeit nach von ihr nicht vergessen werdet, wenn sie einmal stirbt. Sie muß sehr viel zu hinterlassen haben.«
    »Überhaupt nichts, würde ich eher denken, denn sie hat lediglich ihr Wittum, das ihren Kindern zufallen wird.«
    »Aber es ist nicht anzunehmen, daß sie ihrem Einkommen gemäß lebt. Menschen von einiger Vernunft werden das kaum tun; und was sie auch immer spart, darüber kann sie verfügen.«
    »Hältst du es denn nicht für wahrscheinlicher, daß sie es ihren Töchtern hinterläßt als uns?«
    »Ihre Töchter sind beide außerordentlich gut verheiratet, und deshalb kann ich nicht einsehen, warum sie sie noch weiter bedenken sollte – während sie euch meiner Meinung nach, indem sie euch so viel Aufmerksamkeit schenkt und euch in dieser Weise behandelt, so etwas wie einen Anspruch auf eine zukünftige Berücksichtigung gegeben hat, den eine gewissenhafte Frau nicht unbeachtet lassen würde. Ihr Verhalten euch gegenüber ist ungewöhnlich wohlwollend, und sie kann dies alles kaum tun, ohne sich der Erwartungen bewußt zu sein, die sie damit weckt.«
    |248| »Aber sie weckt keine bei denen, die es am meisten angeht. Wirklich, Bruder, deine Sorge um unser Wohlergehen und unseren Wohlstand geht denn doch zu weit.«
    »Na ja«, sagte er, sich anscheinend besinnend, »man kann nur wenig, sehr wenig tun. Aber meine liebe Elinor, was ist eigentlich mit Marianne los? Sie sieht sehr schlecht aus, sie hat ihre ganze Farbe verloren und ist so dünn geworden.«
    »Es geht ihr nicht gut, sie leidet schon seit mehreren Wochen an

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