Verstand und Gefühl
denn das verhindern!« Doch sie unterdrückte |304| diesen Wunsch und beschränkte sich auf den leisen Ausruf: »Das ist sehr seltsam – er muß ja wohl nicht noch älter werden!«
Dieser Aufschub von seiten des Colonels schien seine schöne Gefährtin jedoch nicht im mindesten zu kränken oder zu verdrießen, denn als sie bald danach ihre Besprechung beendeten und auseinandergingen, hörte sie Mrs. Jennings deutlich sagen (und das mit einer Stimme, die zeigte, daß sie es auch so empfand): »Meine Dankbarkeit ist Ihnen für immer gewiß.«
Mrs. Jennings war hoch erfreut über diese Dankbarkeit und wunderte sich nur, daß der Colonel sich, nachdem er einen solchen Satz gehört hatte, von ihnen verabschieden konnte, was er sogleich mit der größten Kaltblütigkeit tat, und fortging, ohne ihr etwas darauf zu erwidern! Sie hatte nicht geglaubt, daß ihr alter Freund einen so gleichgültigen Freier abgeben könnte.
Was zwischen den beiden tatsächlich gesprochen wurde, war folgendes:
»Ich habe«, sagte er voller Mitgefühl, »von der Ungerechtigkeit gehört, die Ihr Freund, Mr. Ferrars, von seiner Familie erfahren hat; denn wenn ich die Sache richtig verstanden habe, ist er für sein Festhalten an seiner Verlobung mit einem sehr verdienstvollen jungen Mädchen von seinen Angehörigen vollkommen fallengelassen worden. Bin ich da richtig informiert? Ist das so?«
Elinor bestätigte es ihm.
»Diese Grausamkeit, diese unkluge Grausamkeit«, erwiderte er mit großer Erregung, »zwei junge Menschen zu trennen, oder es zu versuchen, die lange schon einander zugetan sind, das ist schrecklich; Mrs. Ferrars weiß nicht, was sie damit anrichten mag – wozu sie ihren Sohn noch treiben wird. Ich habe Mr. Ferrars ein paarmal in Harley Street gesehen, er gefällt mir sehr. Er ist kein junger Mann, dem man so schnell näherkommt, aber ich habe genug von ihm gesehen, um ihm um seiner selbst willen Gutes zu wünschen, und als einem Freund von Ihnen wünsche ich es ihm um so mehr. Ich habe |305| gehört, daß er Pfarrer werden will. Würden Sie so gut sein und ihm sagen, daß die Pfründe von Delaford – die gerade frei geworden ist, wie ich mit der heutigen Post erfahren habe – ihm gehört, wenn er es für wert hält, sie anzunehmen. Aber wenn man bedenkt, in welch unglücklicher Lage er sich jetzt befindet, ist es vielleicht unsinnig, daran zu zweifeln; ich wünschte nur, sie wäre einträglicher. – Es ist zwar eine Pfarrstelle, aber eine kleine; der letzte Inhaber der Pfründe hat, glaube ich, nicht mehr als 200 Pfund im Jahr eingenommen, und obgleich dies gewiß verbessert werden kann, fürchte ich, daß es nicht soviel sein wird, um ihm ein wirklich ausreichendes Einkommen zu bieten. Doch so, wie sie ist, wird es mir eine sehr große Freude sein, sie ihm anzubieten. Bitte versichern Sie ihm dies.«
Elinors Erstaunen über diesen Auftrag konnte kaum größer sein, als wenn der Colonel ihr tatsächlich seine Hand angetragen hätte. Eine Pfarrstelle, auf die sich Edward, wie sie noch vor zwei Tagen meinte, keine Hoffnung machen konnte, stand nun bereits zur Verfügung, um ihm die Heirat zu ermöglichen – und ausgerechnet sie war dazu bestimmt, ihm das mitzuteilen. Ihre Erregung war so stark, daß Mrs. Jennings sie einer völlig anderen Ursache zuschrieb; doch welche geringeren Gefühle, weniger rein, weniger angenehm, auch ihren Anteil an dieser Erregung haben mochten, ihre Hochachtung für das große Wohlwollen und ihre Dankbarkeit für die besondere Freundschaft, die zusammen Colonel Brandon bewogen, so zu handeln, empfand sie tief und äußerte das auch mit warmen Worten. Sie dankte ihm dafür von ganzem Herzen, sprach so lobend von Edwards Grundsätzen und Charakteranlagen, wie er es in ihren Augen verdiente, und versprach, gern diesen Auftrag zu übernehmen, wenn es wirklich sein Wunsch sei, eine so erfreuliche Aufgabe jemand anders zu übertragen. Aber gleichzeitig konnte sie sich des Gedankens nicht erwehren, daß niemand anders diese Aufgabe so gut erfüllen könne wie er selbst. Jedenfalls war es eine Aufgabe, die ihr, da sie Edward ungern in die Verlegenheit brachte, sich ihr gegenüber verpflichtet zu fühlen, lieber erspart |306| geblieben wäre; doch Colonel Brandon, der dies, aus Motiven gleichen Zartgefühls, zurückwies, wünschte offenbar doch so sehr, sie würde es übernehmen, daß sie sich unter keinen Umständen noch weiter dagegen sträuben wollte. Edward war, wie sie glaubte,
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