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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Mühe zu unterziehen. Ihr Erstaunen und ihre Verwirrung waren nicht gering bei seinem plötzlichen Erscheinen. Sie hatte ihn noch nicht gesehen, seitdem seine Verlobung bekanntgeworden war, und somit auch nicht, seit er wissen mußte, daß auch sie Kenntnis davon hatte; und der Gedanke daran, was sie gerade überlegt und was sie ihm zu sagen hatte, bewirkte, daß sie sich einige Minuten lang besonders unbehaglich fühlte. Auch er war sehr bedrückt, und sie nahmen beide in einem – äußerst vielversprechenden – Zustand größter Verlegenheit Platz. Er konnte sich gar nicht erinnern, ob er sie beim Hereinkommen um Verzeihung für sein Eindringen gebeten hatte; er beschloß jedoch, sicherzugehen, und brachte seine förmliche Entschuldigung vor, sobald er sich gesetzt hatte und etwas sagen konnte.
    »Mrs.   Jennings sagte mir, daß Sie mich zu sprechen wünschten, zumindest habe ich sie so verstanden – gewiß hätte ich Sie sonst nicht auf diese Weise belästigt; doch gleichzeitig hätte es mir außerordentlich leid getan, London zu verlassen, ohne Sie und Ihre Schwester noch einmal zu sehen, besonders da es sehr wahrscheinlich einige Zeit   ... es ist nicht anzunehmen, daß ich so bald das Vergnügen haben werde, Sie wiederzusehen. Ich gehe morgen nach Oxford.«
    »Sie wären doch auch gewiß nicht fortgegangen«, sagte Elinor, sich fassend und entschlossen, so rasch wie möglich |312| das, was sie so sehr fürchtete, hinter sich zu bringen, »ohne unsere guten Wünsche entgegenzunehmen, selbst wenn es uns nicht möglich gewesen wäre, sie persönlich zu übermitteln. Mrs.   Jennings hatte vollkommen recht mit dem, was sie sagte. Ich habe Sie über etwas Wichtiges zu informieren, was ich gerade im Begriff war, Ihnen brieflich mitzuteilen. Ich bin mit einer höchst angenehmen Aufgabe betraut worden« (und ihr Atem ging weit schneller als gewöhnlich, während sie sprach). »Colonel Brandon, der nur zehn Minuten vor Ihnen hier war, bat mich – da er gehört hatte, Sie beabsichtigten, in den geistlichen Stand zu treten   –, Ihnen zu sagen, daß es ihm eine große Freude sei, Ihnen die Pfründe von Delaford anzubieten, die gerade frei geworden ist, und er wünschte nur, sie wäre einträglicher. Gestatten Sie mir, Ihnen dazu zu gratulieren, einen so angesehenen und wohlmeinenden Freund zu haben und mich seinem Wunsch anzuschließen, daß die Pfründe – sie bringt zweihundert Pfund im Jahr, – viel bedeutender wäre und Sie somit besser in den Stand versetzen könnte   ... daß sie mehr sein könnte, als nur ein vorläufiges Auskommen für Sie selbst   ... kurz gesagt, daß sie all Ihr erhofftes Glück begründen könnte.«
    Was Edward empfand, wußte er selbst nicht zu sagen, und so ist nicht zu erwarten, daß jemand anders es an seiner Stelle tun sollte. Seine Miene drückte das ganze Erstaunen aus, das eine so unvermutete und unbegreifliche Mitteilung erregen mußte; und er sagte nur die zwei Worte: »Colonel Brandon!«
    »Ja«, fuhr Elinor fort, nun beherzter, da das Schlimmste schon fast überstanden war, »Colonel Brandon versteht es als Beweis für seine Anteilnahme an dem, was kürzlich geschehen ist – an der grausamen Lage, in die das nicht zu rechtfertigende Verhalten Ihrer Familie Sie gebracht hat   –, eine Teilnahme, die Marianne, ich selbst und alle Ihre Freunde ganz gewiß teilen; und ebenso als einen Beweis seiner Hochachtung für Ihren Charakter und als seinen besonderen Beifall für Ihr Verhalten bei dem gegenwärtigen Anlaß.«
    »Colonel Brandon gibt
mir
eine Pfründe! Kann das denn möglich sein?«
    |313| »Die Herzlosigkeit Ihrer eigenen Angehörigen läßt Sie darüber staunen, woanders Freundschaft zu finden.«
    »Nein«, erwiderte er, plötzlich begreifend, »nicht darüber, sie bei Ihnen zu finden, denn ich weiß sehr wohl, daß ich alles Ihnen, Ihrer Güte zu verdanken habe. Ich fühle es – ich würde es zum Ausdruck bringen, wenn ich es könnte   –, aber wie Sie wissen, bin ich kein guter Redner.«
    »Sie irren sich durchaus. Ich versichere Ihnen, daß Sie dies vollkommen, zumindest beinahe vollkommen Ihrem eigenen Wert verdanken und dem Umstand, daß Colonel Brandon ihn erkannt hat. Ich habe daran keinen Anteil. Bevor ich von seinem Plan erfuhr, wußte ich nicht einmal, daß diese Pfründe vakant war; auch war es mir vorher nie in den Sinn gekommen, daß er eine solche Pfründe überhaupt zu vergeben hatte. Als ein Freund von mir, von meiner Familie mag er vielleicht

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