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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ihre erste Reaktion nicht gerade günstig.
    »Cleveland!« rief sie sehr erregt. »Nein, ich kann nicht nach Cleveland gehen.«
    |302| »Du vergißt«, sagte Elinor sanft, »daß seine Lage nicht   ... daß es nicht in der Nachbarschaft von   ...«
    »Aber es liegt in Somersetshire. – Ich kann nicht nach Somersetshire gehen. – Dorthin, wo ich mit   ... Nein, Elinor, das kannst du nicht von mir erwarten.«
    Elinor wollte nicht mit ihr rechten über die Angemessenheit, solche Gefühle zu überwinden; sie bemühte sich nur, ihnen entgegenzuwirken, indem sie andere geltend machte; und sie stellte diesen Plan deshalb als einen Schritt dar, der ihre Rückkehr zu ihrer lieben Mutter, die sie doch so sehr wiederzusehen wünschte, auf einen Zeitpunkt festsetzte, an dem sie in einer annehmbareren und bequemeren Weise reisen konnten, als es bei jedem anderen Plan möglich wäre, und vielleicht auch ohne größere Verzögerung. Von Cleveland, das nur wenige Meilen von Bristol entfernt liege, brauche man nach Barton nicht mehr als einen Tag, wenn es auch eine lange Tagesreise sein würde; und der Diener ihrer Mutter könne leicht dorthin kommen und sie heimholen; und da es keinen Anlaß geben würde, länger als eine Woche in Cleveland zu bleiben, könnten sie nun in wenig mehr als drei Wochen zu Hause sein. Da Marianne ihre Mutter aufrichtig liebte, mußte dieser Plan ohne große Schwierigkeiten über die eingebildeten Übel, die sie angeführt hatte, den Sieg davontragen.
    Mrs.   Jennings war so weit davon entfernt, ihrer Gäste überdrüssig zu sein, daß sie sie ganz ernstlich drängte, von Cleveland wieder mit ihr zurückzukehren. Elinor war dankbar für diese Aufmerksamkeit, konnte aber ihren Plan nicht ändern; und da sie das Einverständnis ihrer Mutter bereitwillig erlangt hatten, wurde für ihre Rückkehr alles soweit wie möglich vorbereitet; und Marianne fand einige Erleichterung darin, eine Liste über die Stunden anzufertigen, die sie nun noch von Barton trennten.
    »Ach, Colonel, ich weiß nicht, was Sie und ich ohne die Misses Dashwood tun sollen«, empfing ihn Mrs.   Jennings, als er das erste Mal kam, nachdem ihre Abreise feststand, »denn sie sind fest entschlossen, von den Palmers nach Hause zurückzukehren; wie einsam werden wir dann sein, wenn ich |303| wieder zurück bin! Du lieber Gott, wir werden dasitzen und uns so stumpfsinnig anstarren wie zwei Katzen.«
    Vielleicht hoffte Mrs.   Jennings durch diese lebhafte Darstellung ihrer künftigen Langeweile, ihn zu bewegen, jenen Antrag zu machen, durch den er dem entgehen konnte – und wenn es so war, dann hatte sie später guten Grund anzunehmen, daß sie ihr Ziel erreicht hatte; denn als Elinor zum Fenster ging, um einen Kunstdruck besser ausmessen zu können, den sie für ihre Freundin kopieren wollte, folgte er ihr mit einem bedeutungsvollen Blick dorthin und unterhielt sich mehrere Minuten lang mit ihr. Auch konnte die Wirkung dieses Gesprächs auf Elinor ihrer Aufmerksamkeit nicht entgehen, denn obgleich sie zu ehrenhaft war, um zu lauschen, und sich sogar absichtlich auf einen anderen Platz in der Nähe des Klaviers gesetzt hatte, auf dem Marianne spielte, damit sie die Unterhaltung nicht hörte, konnte sie doch nicht umhin festzustellen, daß Elinor erregt war und die Farbe wechselte und ihm so gespannt zuhörte, daß sie mit ihrer Beschäftigung nicht fortfahren konnte. Als eine weitere Bestätigung ihrer Hoffnungen drangen in einer Pause, während Marianne von einem Übungsstück zu einem anderen überging, einige Worte des Colonels zwangsläufig an ihr Ohr, in denen er sich für den schlechten Zustand seines Hauses zu entschuldigen schien. Das ließ keinen Zweifel mehr zu. Sie wunderte sich allerdings darüber, daß er das für notwendig hielt, nahm aber an, daß es die gute Sitte gebot. Was Elinor darauf erwiderte, konnte sie nicht verstehen, meinte aber aus der Bewegung ihrer Lippen zu ersehen, daß sie deshalb keine wesentlichen Bedenken habe – und Mrs.   Jennings lobte sie im Innern, daß sie so ehrlich war. Dann sprachen sie noch einige Minuten lang, ohne daß sie eine Silbe verstehen konnte, als durch eine weitere glückliche Pause in Mariannes Spiel die folgenden Worte mit der ruhigen Stimme des Colonels zu ihr herüberdrangen: »Ich fürchte, es kann noch nicht so bald stattfinden.«
    Erstaunt und empört über eine für einen Liebhaber so unangemessene Rede, wollte sie schon fast laut ausrufen: »Du lieber Himmel, was sollte

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